wikileaks.pngWenn es über solch ein Projekt so wenige Informationen gibt, wie über Wikileaks, dann ist man gezwungen, sich aus deren spärlichen Veröffentlichungen und dem öffentlichen Auftreten der Akteure ein Bild machen. Und mit etwas Lebenserfahrung kann man dann ganz gut einschätzen, wie seriös solch eine Initiative wirklich ist. Diese Lebenserfahrung scheint vielen Journalisten zu fehlen. Wurden noch vor Wochen das Projekt und ihre Macher von den Presseorganen geradezu hofiert und als sensationelles neues journalistisches Konzept gelobt, setzt momentan eine Gegenbewegung ein - täglich werden neue, abwertende Details veröffentlicht.

Der Autor bleibt dabei - das Projekt ist eine gute Idee - nur bei den aktuellen Machern nicht in guten Händen. Die sind dabei alle ihre Unterstützer, die Spender und die Öffentlichkeit zu verprellen.

Wikileaks - ist die One-Man-Show eines Julian Assange. Er ist, nach einem ihm zugeschriebenen Zitat (wired), das Herz, die Seele von Wikileaks, der Gründer, Sinngeber, Sprecher, Programmierer, Organisator, Finanzier und alles andere auch. Wer ein Problem mit ihm hätte, solle sich verpissen (Original: “I am the heart and soul of this organization, its founder, philosopher, spokesperson, original coder, organizer, financier and all the rest,” Assange wrote ..... “If you have a problem with me, piss off.”).

Aber Assange ist noch mehr - er ist auch der kreative Geschichtenerzähler, der dem staunenden Publikum Märchen aus 1000 und einer Nacht erzählt. Der von Flüchtlingen aus China und anderen Ländern fabuliert, die angeblich jenes Projekt gegründet hätten. Und die aus Angst vor Repressalien ihre im Heimatland verbliebenen Familien nicht gefährden wollten. Oder der die Sicherheitsroutinen mächtig aufbauscht, mit denen das Wikileaks-Netzwerk versuchen würde, die Daten ihrer Nutzer und ihrer Zulieferer zu verschleiern. Und dabei lediglich ein banales Tornetzwerk von der Stange meint. Oder der sich einen Beirat aus angesehenen Menschenrechtsaktivisten bastelt, die allerdings meist nichts von ihrem Glück wissen und auch nie in Organisationsfragen zu Rate gezogen wurden.

Für Julian Assange ist Wikileaks eine Geschäftsidee, die er als gemeinnütziges Projekt verkauft. Weltweit versorgen Idealisten das Projekt mit unterdrückten Informationen. Assange dealt damit, verkauft sie an den meist Bietenden und verspricht im Gegenzug Exklusivität. Kleine, lokale Skandale stören da nur und bleiben unveröffentlicht. Kein Wunder wenn es da zu einem Konflikt mit seinem ehemaligen Sozius Daniel Schmitt gekommen ist - Zitat im Interview des Spiegels: "Aber diese eindimensionale Konfrontation mit den USA ist nicht das, wofür wir angetreten sind. Es ging uns immer darum, Korruption und Missbrauch von Macht aufzudecken, wo auch immer sie stattfinden, im Kleinen wie im Großen, auf der ganzen Welt."

Aber auch jener inzwischen suspendierte Daniel Schmitt aka Daniel Domscheit-Berg ist persönlich nicht ganz über jeden Verdacht erhaben. Er ist offensichtlich verheiratet mit Anke Domscheit-Berg von Beruf "Director Government Relations" bei Microsoft Deutschland. Selbst bei wohlmeinender Betrachtung des Ehelebens der beiden, das passt nicht zusammen. Hier der Sprecher einer Aufklärungsorganisation, die Informationen auch gegen den ausdrücklichen Willen von Regierungen und Großindustrie veröffentlicht, dort eine Cheflobbyistin eines Weltunternehmens mit bestem Draht zu deutschen Regierungsstellen. 

Es ist nicht einfach, ein zweites Wikileaks zu installieren. Denn in den meisten Staaten, demokratisch oder totalitär organisiert, wären die Server schnell beschlagnahmt und die Verantwortlichen unter Anklage gestellt.  Gerade in Deutschland könnte man solch eine Initiative niemals gründen. Dafür bedarf es solch eines Richard Kimble, eines Mannes immer auf der Flucht und nirgends zuhause, der dem Zugriff der Behörden widerstehen kann. Julian Assange ist dafür eigentlich die Idealbesetzung, schade nur, dass es ihm an persönlicher Reife fehlt und an dem Willen, seine Arbeit durch ein wirksames und seriöses Gremium kontrollieren und absegnen zu lassen.