Die Kampagnen der Filmindustrie, die mit Anzeigen und Strafandrohungen gegen Raubkopierer vorgeht, scheinen laut der Zeitschrift Stern erste Wirkungen zu zeigen. Solche Nachrichten sind völlig wertlos. Denn natürlich wird kaum jemand der einigermaßen intelligent ist zugeben, dass er zu Hause den Esel rund um die Uhr vor den PC gespannt hat.

Die Tauschbörsen freuen sich wachsender Beliebtheit und die Anzahl der Nutzer steigt rapide. Das kann man schon daran sehen, dass immer mehr große, kommerzielle eDonkey-Server mit mehreren 100.000 Nutzern betrieben werden - wo früher einige kleine Server mit max. einigen tausend Besuchern gewerkelt haben.

Vor ein paar Wochen hat Manuel Andrack in der Harald Schmidt Show seine Musik-Kasettensammlung präsentiert, die er sich als Jugendlicher mal aus dem Radio & wahrscheinlich von Schallplatten seiner Freunde zusammenkopiert hat. Ich habe nirgendwo gelesen, dass das irgend jemand aufgeregt hat. Im Gegenteil - jeder von uns hat das wahrscheinlich in seiner Jugend so gemacht. Ich erinnere mich noch gut, wie ich Ende der sechziger Jahre mit dem Mikro "Beat"-Sendungen aus dem Radio mit meinem Tonbandgerät aufgenommen habe. Die so entstandenen Bänder haben gute Dienste bei Feten und heimlichen Tete-a-Tetes mit der Freundin geleistet. Schallplatten konnte ich mir damals von meinem Taschengeld kaum leisten.

Jetzt sollen also wir Eltern unseren Kindern ein Unrechtsbewußtsein vermitteln, das wir - wenn wir wirklich ehrlich sind - selbst niemals entwickelt haben. Und das eigentlich nur eine Erfindung der Unterhaltungsindustrie ist. Nämlich dass analoge Kopien gerade so in Ordnung gehen, weil eben damit ein Qualitätsverlust einhergeht. Das digitale Kopieren dagegen wäre äbäh, böse, geradezu kiminell - nur weil es tendenziell vielleicht den Profit dieser Konzerne ruiniert.

Die Sache ist damit ein völliges Novum. Die Bevölkerung soll ein Unrechtsempfinden an einem technischen Merkmal entlang entwickeln. Analog - naja, geht so, aber digital, das ist wirklich kriminell, verabscheuungwürdig, wird mit der Höchststrafe belegt... Ob so ein Denken wirklich durchgesetzt werden kann?

Mir persönlich kommt da immer die Zeit der Prohibition in den USA in den Sinn. Offiziell war Alkohol verboten, doch getrunken wurde er weiterhin - eben mehr oder weniger heimlich. Was fehlte, war jedes Unrechtsbewußtsein der Konsumenten, der Markt konnte deshalb auch nie ausgetrocknet werden und der Staat musste schließlich klein beigeben. So wird es auch mit der Kopiererei weitergehen - restriktive Gesetze werden dazu führen, dass das Kopieren klandestiner abläuft. Aber jeder technische Schutz wird ein Heer von Bastlern und Hobbyprogrammierern auf den Plan rufen - solange, bis auch dieser Schutz geknackt ist.

Es wird Zeit, dass der Staat sich endlich klar von den Interessen der Industrie absetzt, nicht zu deren Handlanger verkommt und deutlich macht: Privates Kopieren ist erlaubt, kommerzielles Kopieren  wird bestraft. Das wären auch Regeln, die wir Eltern ernsthaft unseren Kids vermitteln könnten.

Und die Industrie könnte sich mal überlegen, dass man DVDs, CDs so spannend auch gestalten könnte, dass jeder der einen selbst gebrannten Rohling zuhause rumliegen hat, sich zu Weihnachten lieber die Original-CD wünscht, die ein Begleitheft mit weiterführenden Infos enthält.

Dann könnte die Unterhaltungsbranche auch auf solche dubiosen Spots verzichten, die sicher teuer, aber auf jeden Fall nichts bis garnichts bewirken werden.