Im Krieg Russlands gegen die Ukraine gibt es in den letzten Monaten nur wenige Veränderungen an der Front. Russlands Offensive an vielen Abschnitten hat nur geringe Geländegewinne gebracht. Dagegen haben die täglichen menschlichen Verluste seit Kriegsbeginn einen neuen Höchststand erreicht. Zum 31. Januar 2024 haben wir 43.064 russische Kriegstote namentlich erfasst, das bedeutet einen Zuwachs von 1.760 neuen Namen seit dem 15. Januar 2024 oder 3.112 gefundenen Kriegstoten seit Beginn des Jahres.
Zum Vergleich - in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 hatten wir durchschnittlich etwa 2.200 gefallene Soldaten pro Monat registriert.
Im Moment können wir mit unserem kleinen Team diese hohe Anzahl an Kriegstoten kaum noch verarbeiten und in unsere Listen eintragen. Denn das Recherchieren nach Ortsangaben, gelöschten Einträgen usw. ist sehr aufwendig. Aber auch so kann man bei der Durchsicht unserer Listen schnell erkennen, dass viele "Freiwillige" - egal ob aus den Gefangenenbataillonen Sturm-Z oder aus regulären Einheiten - an der Front einen schnellen Tod erleiden. All diese Menschen werden mit nur rudimentärer Ausbildung in den Kampf geworfen und sind das Kanonenfutter für die regulären russischen Einheiten.
Aus diesen Zahlen ergeben sich folgende Einschätzungen:
Ermittelte Kriegstote |
Geschätzte Kriegstote |
Geschätzte Verletzte |
Geschätzte Gesamtverluste |
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Unsere Statistik, Stand 31.01.23 | 43.064 | 71.800 | 251.000 | 320.000 |
BBC, Stand 26.01.23 | 43.014 | 86.000 | k.A. | k.A |
Alle von uns erfassten Kriegstoten stammen aus öffentlichen Quellen, wir veröffentlichen sie unter Angabe der Originalquelle. Wir bekommen unsere Zahlen aus den regionalen Medien in Russland, aus regionalen systemkritischen Quellen, aus Telegramkanälen und durch nicht von uns betriebene Bots, die die sozialen Netzwerke VKontakte, OK und Instagram auf Stichworte durchsuchen.
Wir wissen, dass wir mit unseren Zahlen nur bedingt die Realität abbilden. Viele Kriegstote werden öffentlich verschwiegen. Das bringt uns zu folgenden Überlegungen:
- Der ehemalige russische Offizier Vitaly Votanovsky hat die Friedhöfe in der gesamten Region Krasnodar aufgesucht und dabei die Gräber von Kriegstoten ermittelt, die von den Medien nicht veröffentlicht wurden. Man kann also davon ausgehen, dass zumindest in dieser Region die meisten gefallenen Soldaten auch erfasst wurden. Insgesamt haben wir in Krasnodar (Stand 15.10.23) 1.167 gefallene Soldaten gelistet, davon wurden 699 in den Medien veröffentlicht, Vitaly Votanovsky oder seine Mitstreiter haben bis zu diesem Zeitpunkt die Gräber von 468 weiteren Gefallenen aufgezählt. Das bedeutet, dass in der Region Krasnodar gerundet etwa 60% aller Kriegstoten durch die Medien veröffentlicht wurden.
- Auch am Beispiel der Toten von Makijiwka ergeben sich ähnliche Relationen. 89 tote Soldaten wurden gemeldet, wir haben 137 gelistet, das ergibt etwa 65 Prozent der öffentlich gemachten Opfer.
- Der britische Geheimdienst hat zuletzt am 04.12.23 sich zu den russischen Verlustzahlen geäußert. Nach seinen Angaben hätte Russland 50.000 tote Soldaten und 20.000 getötete Wagnersöldner zu verzeichnen. Dazu kämen 180.000 bis 240.000 verwundete Soldaten und 40.000 verwundete Wagner-Söldner. Die Anzahl der getöteten Wagner-Söldner bezieht sich übrigens auf eine Aussage von Jewgeny Prigoschin vor seiner Attacke auf das russische Militärsystem.
- Die Kriegstoten stellen aber nur einen Teil der Opferzahlen dar. Viele Soldaten wurden schwer traumatisiert – an Körper und Seele. Die BBC trifft dazu folgende Aussage: Nach Beobachtungen des US Center for Naval Analysis kommen auf jeden russischen Soldaten, der während des Krieges in der Ukraine getötet wurde, im Durchschnitt etwa dreieinhalb Verwundete.
Aktuell haben wir die Kriegstoten auf einem Denkmal erfasst und festgestellt, dass wir etwa 60% aller Namen bereits in unserer Datenbank hatten. Bei den dort veröffentlichten Söldnern der Gruppe Wagner war es allerdings umgekehrt, hier kannten wir nur den kleineren Teil der Kriegstoten. Auch das bestätigte unsere Erfahrungen.
Dem gegenüber bleibt die BBC bei ihrer Einschätzung, dass sie nur etwa die Hälfte aller Kriegstoten erfassen würden. Zitat: "Zu diesem Schluss kamen wir durch eine systematische Untersuchung der Situation auf Friedhöfen in 70 russischen Siedlungen."
Dieser Einschätzung können wir uns nicht anschließen, da wir doch zahlreiche Regionen Russlands haben, in denen Freiwillige den überwiegenden Teil der Kriegstoten erfassen (Beispiele: Burjatien, Irkutsk, Tschuwaschien, Pskow) oder wo die Verwaltungen alle Verluste in ihren Telegram-Kanälen (Beispiele: Komi, Sachalin) veröffentlichen.