Konstantin TschirkinEtwa 100 km südlich von Moskau entfernt liegt die Stadt Kaschira mit rund 45.000 Einwohnern, eine der ältesten Städte der Region. Zur russischen Hauptstadt gibt es eine Nahverkehrsverbindung. In der jüngsten Geschichte der Stadt war Kaschira die letzte Station der Gruppe Wagner auf ihrem Feldzug Richtung Moskau - dort endete ihr Vormarsch. Und als Söldner der Gruppe Wagner endete auch das Leben der Hauptperson unserer Erzählung.

Aus Kaschira kam  Konstantin Tschirkin (Foto links). Der junge Mann wurde am 2. Februar 1999 dort geboren und entwickelte sich als hoffnungsvoller Spross seiner Familie. Er war ein guter Sportler, spielte Fußball und Volleyball und machte auch auf dem Skateboard eine gute Figur. Er besuchte eine Musikschule, kochte gerne und interessierte sich für Kunst.

Eine Nachbarin beschreibt Konstantin als einen jungen Mann mit der gütigsten Seele und einem sehr sensiblen Herzen. Er wäre derjenige, der sich für alle einsetzt und sogar einem kleinen obdachlosen Kätzchen hilft.

Aber Konstantin hatte auch weitergehende Interessen, die sich hauptsächlich um das schnelle Geldverdienen drehten. Zusammen mit einer Gang aus Jugendlichen aus den Vororten von Moskau entwickelte er einen Plan, wie man aus der in Russland weit verbreiteten Abneigung gegenüber Schwulen Kapital schlagen könnte.

Das folgende Foto findet man auf der persönliche Seite von Konstantin auf VKontakte. Wir wissen nicht, ob die darauf abgebildeten Jugendlichen Angehörige jener Jugendgang waren. Sicher ist, jener lange Lulatsch in der zweiten Reihe, das ist unser Konstantin Tschirkin.

Konstantin Andrejewitsch Tschirkin

Die Jugendgang hatte zwei Häuptlinge, neben Konstantin spielte auch der 14-jährige Joseph Hristow eine Führungsrolle. Der war bereits verheiratet und gehörte zur dortigen Minderheit der Sinti/Roma. Alle Gangmitglieder lebten in der Stadt Balaschicha, einer Großstadt am Rande Moskaus. Drei waren zwischen 14 und 17 Jahre alt und zwei weitere waren 18 Jahre alt. Alle stammen aus postsowjetischen Republiken und besuchen Kampfsportabteilungen.

Der Plan war gerissen einfach - auf einem passenden Datingportal wurde ein Account erstellt, der etwas indirekt klandestine Schwule animieren sollte, ein Treffen zu vereinbaren. Das fand dann auch an abgelegenen Orten statt, lief aber nicht wie erwartet ab. Statt einem jugendlichen Liebhaber traf der Mann auf jene Jugendgang, die ihn bedrohte. Er musste seine Barschaft und alle Wertgegenstände abliefern. Man prügelte die PIN-Nummer seiner Bankkarte aus ihm heraus und leerte sein Konto. Und wenn das immer noch nicht genug einbrachte, musste das Opfer Freunde oder Familienangehörige anrufen, damit diese Geld auf sein Konto überwiesen.

Die meisten dieser Fälle kamen gar nicht zur Anzeige, weil die Betroffenen ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich machen wollten. Und selbst unter der Nachbarschaft und den Angehörigen der Jugendgang wurde das als lässliche Sünde eingestuft, immerhin waren die Opfer ja sexuell "abartig" und hatten etwas Strafe verdient.

Vielleicht wäre dieses Vorgehen niemals aufgedeckt worden, wenn die Gang dabei geblieben wäre. Doch im August 2017 gingen die Jugendlichen zu weit. Ein Student einer Moskauer Universität, Arthur Orlow, brauchte schnell Geld. Er hatte irgendwo in Russland eine junge Frau kennen gelernt und wollte sie besuchen. Also bot er sein neues Iphone auf einer Kleinanzeigenseite zum Verkauf an. Er bekam einen Anruf von einem Gangmitglied, das jenes Smartphone ohne Feilschen bar kaufen wollte und man vereinbarte einen Übergabeort.

Dort lief die Sache wie mit den vorherigen Opfern ab. Mit dem Iphone war die Gang nicht zufrieden, sie schlugen den Studenten ziemlich heftig und forderten ihn auf, bei seinen Freunden dringend Geld einzufordern. Da Studenten notorisch klamm sind, scheiterte auch dieses Vorgehen. Die Freunde informierten die Mutter des Studenten, die wiederum die Polizei.
Man fand schließlich Arthur Orlow bewusstlos. Komplexe Kopfverletzung, Gehirnprellung, Schädigung innerer Organe. Der Student wurde auf die Intensivstation eines der Krankenhäuser gebracht. Ärzte kämpften mehr als eine Woche lang um sein Leben. Aber sie konnten ihn nicht retten. Arthur Orlow ist gestorben.

Das Signal des Smartphones brachte die Polizei zu den Tätern. Vier wurden festgenommen, einer bekam Hausarrest. Konstantin Tschirkin behauptete, dass er mit dem Tod des Arthur Orlow nichts zu tun hätte. Und auf die Frage nach dem Motov für jene anderen Verbrechten antwortete er mit einem Wort: "Geld".

Über den Prozess vor Gericht wurde in der Öffentlichkeit nichts bekannt. Wahrscheinlich weil die Täter als Jugendliche eingestuft wurden. Zumindest die Angehörigen von Konstantin empfanden die Strafe als ungerecht. Im Jahr 2022 beschloss Konstantin im Gefängnis, sich den Söldnern der Gruppe Wagner anzuschließen. Am 16. September 2022 gehörte auch er zu den Soldaten, die beim Kampf um die Stadt Bakhmut "heldenhaft" verheizt wurden.


In russischer Sprache gibt es ein Youtube-Video zu diesem Fall