Überraschend viel Kritik gab es ob der Neugestaltung der Gulli-Seiten. Manche meinten, dass damit das Flair der vergangenen Tage völlig verflogen wäre. Gulli wäre jetzt zu einem kommerziellen Projekt geworden, das nichts mehr gemein hätte, mit der Untergrundseite der vergangenen Jahre. Das könnte man auch anders sehen. Als ehrlichen Hinweis für die kommerzielle Ausrichtung. Die BoardNachrichten haben zum Relaunch die beiden Macher Gulli und LexaT befragt.

Über das neue Layout des Projekts Gulli kann man allerdings nur wenig Negatives sagen. Denn die Gestaltung ist äußerst gut gelungen. Auf stilistische Mätzchen und Schnörkel wird verzichtet - zugunsten eines klar strukturierten Layouts, das über viele Seiten und Inhalte hinweg Anwendung finden kann und deshalb der Firma Gulli so etwas wie eine "Corporate Identity" verschafft. Wie es sich für den Untergrund gehört, wurde die dunkle, düstere Anmutung beibehalten. An die anarchistischen Parolen vergangener Tage erinnern nur noch die vorherrschenden Farben rot & schwarz. Entwickelt wurde die grafische Gestaltung von Ralph und Verena Segert, die im Internet recht bekannt sind. Ihr KriT-Letter ist seit Jahren das Sprachrohr der kritischen Intelligenz im Netz. Auch bei der Programmierung trifft man keinen völlig Unbekannten. Sylvian Rehberger hat u.a. die Technik für einige ökologische Projekte beigesteuert.

Auch die Inhalte haben sich geändert. Einiges wurde auf andere Seiten der Firma Fliks verlagert, integriert wurde in erster Linie eine Untergrund-Suchmaschine, die in etwa der der Suche via astalavista entspricht. Wer früher mal die (nicht identische) Seite astalavista.de besucht hat, kennt bereits die technischen Möglichkeiten der Suchfunktion bei Gulli. Viele Inhalte sind noch nicht komplett, auch gibt es einige Kooperationen mit bekannten und weniger bekannten Webprojekten, u.a. mit BavarianTommys Sicherheitsseite.

Wie es mit dem Projekt Gulli weitergehen soll, wollten die BoardNachrichten direkt von den Machern erfahren. Wir haben deshalb Gulli und LexaT ein paar Fragen gestellt.


BoardNachrichten (BN): Das uBoot Gulli ist jetzt aufgetaucht. Ihr wollt aber weiterhin über den Untergrund des Internets berichten. Habt ihr dazu überhaupt noch Blickkontakt?

LexaT: Untergrund ist ja kein Jäckchen, das man sich einfach überwerfen kann und dann gehört man dazu. Vor einigen Jahren bekam gulli.com das Image einer "underground-page" und in unseren Augen sind wir das immer noch. Nicht nur wir haben uns geändert, auch der Untergrund ist ein anderer geworden. Softwarepiraterie spielt in diesem Bereich keine so große Rolle mehr, das ist schlichtweg unmodern geworden. Vor einiger Zeit galt noch das Motto "Du musst für Software zahlen, ich aber nicht". Nunmehr trifft man immer öfter auf die Einstellung "Du musst Software stehlen, ich aber nicht". In der 'Untergrundszene' ist es mittlerweile weitaus cooler, OpenOffice zu benutzen, als ein gecracktes Windows-Office. Es ist doch so: Heutzutage kann sich jeder Depp über Filesharing-Dienste die Software herunterladen, die er meint haben zu müssen. Was kann daran noch "Untergrund" sein? Der Untergrund ist mittlerweile vielmehr eine Gemeinschaft von Menschen mit ähnlichen Interessen und Einstellungen in einem virtuellen Rahmen. Es wird beispielsweise ausführlich über das Rippen von DVDs geschrieben, aber über cracks, patches und serials verliert doch kaum noch jemand ein Wort.

BN: Teilweise gab es eine geharnischte Kritik auf den Boards. Im CCB schrieb ein gewisser Castor: "Wenn Arbeit was geiles wer, würden die Bonzen sie für sich behalten" (oder so ähnlich) und jetzt die Konstruktion einer GmbH & Co. KG zeigt doch, wie schnell aufmüpfige Linkspatrioten zu Möchtegernkapitalisten aufsteigen." Und Sapoleon antwortet: „Das passiert bei Linken leider zu oft. Nur solange sie kein Geld haben machen sie ihr Sprüche. Und mit Geld sind sie schlimmer als die angeblichen Schweinekapitalisten.“ Was versprecht ihr Euch von dem Projekt in ideeller und wirtschaftlicher Hinsicht?

LexaT: Die beiden zitierten Personen sind mir unbekannt. Ich sehe auch keinen Widerspruch zwischen dem Slogan und einer GmbH & Co. KG, weil ersterer auf unzumutbare Arbeitsbedingungen anspielt, während das Zweite halt eine Gesellschaftsform ist. Unter aufmüpfigen Linkspatrioten kann ich mir schon mal gar nichts vorstellen. Das zweite Zitat dürfte wohl in unserer Gesellschaft oft diskutiert werden - ab einer Alkoholkonzentration von 1,5 Promille und begleitet von wiederholtem Schlagen mit der Faust auf den Tresen. Zur eigentlichen Frage nach unseren wirtschaftlichen und ideellen Zielen, muss zwischen gulli.com und board.gulli.com differenziert werden. Das sind zwei verschiedene Projekte und das wird von vielen nicht so gesehen. Prinzipiell kommt man mit einem erfolgreichen Projekt, das freie Dienste anbietet, zwangsläufig an den Punkt an dem es richtig teuer wird. Darum sind die meisten größeren Boards auch nicht offen.

Die Anschaffung neuer Hardware und die laufenden Kosten wären nicht mehr bezahlbar. Irgendwann muss man sich entscheiden, in welche Richtung es weitergeht und da bleiben in der Regel nur zwei Wege offen. Entweder man beschränkt vehement den Personenkreis, der auf die Dienstleistungen zugreifen kann und macht als elitäres Clübchen weiter, oder man versucht eine Finanzierung zu finden und die Dienstleistungen möglichst breitflächig zur Verfügung zu stellen. Das gulli:board ist komplett werbefrei, es gibt keine Mitgliedsbeiträge und die ModeratorInnen sind nicht an der Finanzierung beteiligt. Auch diverse Spendenangebote haben wir erfolgreich verhindern können ;-) Das halten wir aber nicht so, weil wir in Geld schwimmen und auf die "Peanuts" keinen Wert legen, sondern deshalb, weil all diese Methoden zur Finanzierung nicht dauerhaft funktionieren. Das gulli:board frisst Geld und das wird auch noch eine ganze Zeit so bleiben. Es ist eine wirklich feine Community und wir werden versuchen möglichst viele Menschen daran teilhaben zu lassen.

Nach jetzt knapp drei Jahren hat sich dort auch eine Selbstverwaltung bewährt und in der Regel wird die Ideologie des Boards über die Bedürfnisse der Mitglieder festgelegt. Da stecken wir bei weitem nicht so tief drin, wie das oft gesehen wird. Mit gulli.com soll Geld verdient werden. Es ist aber nicht so, dass dies der ausschließliche Sinn von gulli.com ist, der liegt darin, den Besuchern eine möglichst große Palette an Informationen, Wissen, Anwendungen und Tools zu bieten. Wir glauben, dass Menschen auch in einem virtuellen Rahmen nach Bekanntschaften und Nähe suchen. Wir möchten, dass sich Besucher auf gulli.com heimisch fühlen und der eine oder andere auch bereit ist, sich die Produkte für die wir werben genauer anzuschauen. Werbung für schlechte Produkte/Dienstleistungen oder gar Abzocke der eigenen Besucher wäre natürlich genauso tödlich für das Projekt, wie es blöde von uns wäre.

gulli: Hinter der Kritik steht offensichtlich die Erkenntnis, dass es auf gulli eine Entwicklung gegeben hat, die nicht zuletzt mit den personellen Änderungen auf dem Board zu tun hat. Als jedoch in den letzten Tagen die Forderung kam, dass doch das Anarchie-Logo vom alten Layout auch auf der aktuellen gulli-Homepage veröffentlicht werden sollte, musste ich erstmal herzlich lachen, hatte der Fragende offensichtlich übersehen, dass dieses Logo und und der dazugehörige Text schon vor über 18 Monaten entfernt wurden. Und wer davon ausgeht, dass es in diesen 18 Monaten seitdem keine Entwicklung gab, der irrt.
gulli ist einfach für uns die Chance aus einem Hobby den Beruf zu machen und ich möchte Menschen sehen, die diese Chance nicht wahrnehmen würden.

-Wird fortgesetzt-


Nachtrag: Kern eines Interviews ist es, die Meinung des Interviewten zum Thema zu erfahren. Es ist keine Debatte, deshalb sind auch keine Erwiderungen der BoardNachrichten eingeflossen. Auf Grund des Textumfangs wurde das Interview aufgeteilt. Die Fortsetzung gibt es am Samstag.
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