Vorgestern waren sie bei Bundespräsident Johannes Rau zu Gast. Sechzig Jugendliche aus ganz Deutschland präsentierten etwa 200 geladenen Gästen ihre Vorstellungen über Toleranz und Fairness im Internet. Auf die Beine gestellt wurde alles durch die Jugendinitiative Step21 - fairlink.de. Bei soviel organisierter Gutwilligkeit unserer Jugend, lohnt es sich etwas hinter die Kulissen zu blicken. Denn finanziert wird das alles von den großen deutschen Konzernen - darunter Bertelsmann, Siemens und Daimler Benz.

Die jungen Leute, die sich an den Projekten von Step21 beteiligen, befinden sich in nobler Gesellschaft. An der gemeinnützigen Gesellschaft ist die Creme der deutschen Wirtschaft beteiligt, im Kuratorium sitzen u.a. Thomas Middelhoff und Mark Wössner von der Bertelsmann AG, Jürgen Schrempp von Daimler/Crysler, Heinrich von Pierer als Vertreter von Siemens, selbst Steven Spielberg darf mitspielen und auch der verstorbenen Gräfin Dönhoff ist noch immer ein Ehrenplatz reserviert. Geleitet wird die Firma von Sonja Lahnstein-Kandel, der Gattin des ehemaligen Bundesministers Manfred Lahnstein. So wundert es auch nicht, dass die Initiative am Hamburger Baumwall residiert, dem Sitz des Gruner & Jahr Verlages. Und so wundert es auch nicht, dass die Illustrierte Stern im Januar 2001 die Aktion fairlink.de unter der Schirmherrschaft von Johannes Rau gestartet hat.

Jugendliche aus ganz Deutschland haben danach auch brav begonnen, an vierzehn Projekten mitzuarbeiten, die sich mit Toleranz, Fairplay und Verantwortung im Internet auseinandersetzen sollen. Beispielhaft hat ein Team aus Bayern ihr Konzept „Betreutes Surfen“ umgesetzt. Sie haben damit Schülern der Klassen 7 bis 10 einen Einblick in das Problem mit rechten Internetseiten und dem verantwortungsvollen Umgang verschaffen wollen. Eine andere Gruppe aus Potsdam entwickelte eine Internet-Zeitung, die das Thema Rechtsextremismus in journalistischer Form behandelt. Frau Lahnstein kommentiert das so: Die Antwort der Jugendlichen auf die Herausforderung menschenverachtender Online-Inhalte ist einfach und plausibel: Das wirksamste Mittel gegen Intoleranz ist das entschiedene Eintreten jedes Einzelnen für Toleranz. Wie so etwas praktisch aussehen kann haben die Fairlink-Teilnehmer gezeigt. Damit sind sie zweifellos Vorbild für andere junge Menschen, vor allem aber auch für Erwachsene."

Besonders herausgestellt wurden in Berlin auch die Internet-Foren von Step21. Dort hätten die Mitglieder in weit über tausend Beiträgen unterschiedliche Meinungen und Ideen zum Thema Verantwortung und Toleranz ausgetauscht. Daraus wären die [fairnetz] – Tipps für respektvolles Handeln im Internet entstanden. Grund genug uns die Diskussionen im Webarena Forum etwas genauer anzugucken. In elf Themengebieten können dort Beiträge verfasst werden. Die Spannweite ist groß: Von der aktuellen Innenpolitik bis zur globalen Weltwirtschaft, von Musik- bis zu Computerthemen. Aber gehen wir mal ins Detail, schauen wir uns die Themen und Beiträge der toleranten Jugend genauer an.

Latenight berichtet unter der Überschrift "Die Opfer der Pazifisten" über schreckliche Erkenntnisse. An Hitlers Machtergreifung und am zweiten Weltkrieg sind die Pazifisten Schuld und die Apeasement-Politik der Siegerstaaten des ersten Weltkriegs. Auch die Friedensbewegung Ende der sechziger Jahre hat ein Schärflein zu tragen. Ist sie doch verantwortlich für die Demoralisierung der amerikanischen Vietnam-Truppen und damit für deren verlustreiche Niederlage. Und selbst in Bosnien-Herzegovina, beim Massaker von Sebrenica, führte die pazifistische Haltung in der holländischen Bevölkerung dazu, dass dessen Militär nur halbherzig eingriff.

Immerhin hat der Moderator Campesino Verständnis dafür, dass Demonstranten versuchen, den Castor-Transport nach Gorleben aufzuhalten. Muss sich aber gleich von Kainskind2002 belehren lassen, dass man überhaupt kein Verständnis für solche Schwachmaten haben solle und es besser wäre, wenn der Zug einfach über die an die Schienen geketteten Demonstranten drüber fahren würde. Auch CheezieCrust meint: "Öko-Aktivismus wie dieser WAR, IST und BLEIBT vollkommen albern, realitätsfremd und kontraproduktiv."

In der aktuellen Innenpolitik gibt sich Ilka optimistisch: "Ich finde es langsam hochgradig lächerlich, was hier in Deutschland abgeht und in welchen Sog sich hier alle von - hauptsächlich - den Medien ziehen lassen. Nähme man die ganzen Wehklagen ernst, müsste man annehmen, dass Deutschland kurz vor dem totalen Kollaps steht." Damit ist aber George gar nicht einverstanden: "Wenn man dich hört Ilka, könnte man glauben, du oder deine Eltern wären reich. Die Lage ist mies, die Renten sind nicht mehr sicher, das Gesundheitssystem pfeift auf dem letzten Loch und die Arbeitslosigkeit ist immer noch sehr hoch. Ich bin nach wie vor gegen die Ökosteuer, das ist bloss Abzocke. Angeblich sollte damit die Lohnnebenkosten gesenkt werden, die Rentenbeiträge steigen jetzt sogar wieder. Außerdem hat uns Rot-Grün von vorne bis hinten belogen."

So Leute - der Autor will Euch nicht länger mit solchem Gebrabbel langweilen. Ähnliche Beiträge beschränkter Kompetenz kann man nämlich auf vielen Boards quer durch das Netz lesen. Dafür bedarf es keine Begleitung durch Industrie und Hamburger Schickeria. Und auch auf die vorgetragenen Inhalte braucht niemand besonders stolz zu sein, zeugen sie eher von unterdurchschnittlich entwickelter Toleranz. So bleibt am Schluss ein ernüchterndes Urteil. Mit viel Geld, mit viel Einsatz von Prominenz wird ein Projekt durchgezogen, das wohl eher der Zuschaustellung der edlen Absichten unserer Wirtschaftsbosse dient, das Internet aber keinen deut toleranter macht und auch die rassistischen, sexistischen und anderen menschenverachtenden Inhalte niemals zurückdrängen wird.