Drei Klassen Militär
Im Umgang mit seinen Soldaten haben sich im russischen Militär im Krieg mit der Ukraine drei Klassen herausgebildet. Die wichtigste Gruppe sind die Offiziere und die Berufssoldaten. Sie sind Träger des militärischen Wissens und werden entsprechend an der Front geschützt. Die zweite Gruppe sind die mobilisierten Soldaten. Sie sind keine ausgebildeten Militärs, aber verfügen nach zwei Jahren Krieg auch über genügend militärische Erfahrung, um nicht an der Front verheizt zu werden. Die dritte Gruppe sind die Freiwilligen, die jeden Monat mit immer höheren Beträgen geködert werden. Sie sind die entbehrlichen Soldaten, die ganz nach vorne bei selbstmörderischen Angriffen geschickt werden. Diese Gruppe hat die höchste Rate an Kriegsopfer zu verzeichnen. Wir wollen dazu ein paar Zahlen liefern.
Zuerst einmal die schlechte Nachricht. Von den 4.394 erfassten Kriegstoten konnten wir nur zu 820 nähere Angaben erhalten. Davon müssen auch noch 112 Wagner-Söldner abgezogen werden, die lokale Initiativen aus den Jahren 2022 und 2023 gefunden haben. Wir haben also nur von 16% aller getöteten Soldaten verwertbare Hinweise gefunden, wie ihr Status im russischen Militär aussah. Die Offiziere dagegen dürften wir fast alle erfasst haben, sie werden meist in den Beiträgen besonders herausgestellt. Auch die mobilisierten Soldaten werden meist als solche ausgewiesen. Die größte Dunkelziffer herrscht bei den freiwilligen Soldaten.
Konkret finden sich unter den 708 getöteten Soldaten mit näheren Angaben 72 Berufssoldaten (Offiziere & Mannschaften), 119 mobilisierte Soldaten und 471 Freiwillige bzw. Sturm-V Söldner. Nach diesen Zahlen sind 2/3 der russischen Kriegstoten entweder freiwillig an der Front oder nicht ganz freiwillig als aus der Haft rekrutierte Häftlinge. Tatsächlich dürfte der Anteil wesentlich höher sein, da ein großer Teil der Kriegstoten, über die keine Angaben vorliegen, auch zur Gruppe der Freiwilligen zu zählen ist.
Freiwillige und Sturm-Z Soldaten sind in ihrem militärischen Status gleichgestellt. Die Verträge haben meist eine Laufzeit von einem Jahr, allerdings mit der Klausel, dass sie bis zum Ende des Krieges weiter gültig sind. Niemand kann also nach einem Jahr sagen, dass es ihm jetzt reicht und seine Sachen packen. Wie wir schon mehrfach dokumentiert haben, wird diese Gruppe Soldaten ohne große Vorbereitung an die Front geworfen. Die militärische Ausbildung dauert zwischen wenigen Tagen und zwei bis drei Wochen. So häufen sich unsere Meldungen, dass sie schon nach wenigen Tagen auf gefährliche Angriffe geschickt und dabei getötet werden.
Um unangenehme Nachfragen zu vermeiden, wird deshalb bei vielen veröffentlichten Meldungen das Vertragsdatum und das Datum des Todes einfach weg gelassen. Da sich diese kurze Lebenszeit als Freiwilliger inzwischen herumgesprochen hat, müssen die Antrittsprämien für den Kriegsdienst ständig erhöht werden. Wir haben eine entsprechende Tabelle mit den Prämien hier veröffentlicht, die die Regionen aktuell zu zahlen bereit sind. Die Daten stammen aus einer russischen Quelle von Anfang August, allerdings ist nicht auszuschließen, dass einige der Zahlungen bereits wieder erhöht wurden.