stopp.gifDie Minister Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble wollen Kinderpornografie aus dem Internet filtern lassen. Dazu sollen sich die Internetprovider selbst verpflichten. Die Kosten dafür wären minimal. Das Bundeskriminalamt wird dazu eine Sperrliste erstellen und den Internetanbietern zur Verfügung stellen. Gleichzeitig will die Bundesregierung dem internationalen Projekt CIRCAMP (Cospol Internet Related Child Abusive Material Project) beitreten, bei dem Norwegen die Regie führt.

Ein populistischer Aktionismus ohne jedwede Wirkung, meint der Autor. Mit diesem Schritt öffnet man allerdings die Büchse der Pandora, hin zu einer allumfassenden Zensur des Internets. Will man tatsächlich die sexuelle Ausbeutung von Kindern bekämpfen, muss man andere Maßnahmen ergreifen.

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Lassen wir uns nicht blenden - Kinderpornografie muss immer dann herhalten, wenn man im Internet nach behördlicher Regulierung ruft, wenn von ordnungspolitischen Scharfmachern wieder Zensur und neue Sperrmaßnahmen gefordert werden, wenn kleinbürgerliche Spießer oder Fanatiker jedweder Religion nackte Tatsachen aus dem Internet beamen wollen. Dann sind Bilder von missbrauchten und sexuell ausgebeuteten Kindern das probate Mittel.

Doch wie groß das Problem wirklich ist, da wird reichlich phantasiert. Es ist so wie in allen Bereichen der Schattenwirtschaft, konkrete Zahlen kann es nur schwer geben und mit Schätzungen wird Politik gemacht. Möglichst dramatisch hohe Zahlen sollen moralischen und politischen Druck erzeugen. "Kinderpornografie im Internet nimmt zu und wird immer brutaler", behauptet das deutsche Familienministerium aktuell. Und führt lediglich als Beleg an, dass in der Kriminalstatistik 2007 etwa doppelt so viele Leute wie im Jahr zuvor sich via Internet mit kinderpornografischen Inhalten versorgt hätten. Die Ursache dafür könnte auch ein erhöhter Fahndungsdruck gewesen sein. Zustimmen kann man lediglich der Aussage, dass das Medium Internet die Distribution von entsprechenden Inhalten erleichtert.

Dass explizite Kinderpornografie im Internet nichts zu suchen hat, dass der Handel mit solchen Inhalten strikt unterbunden werden muss, darüber muss hier sicher nicht weiter debattiert werden. Die gesetzlichen und polizeilichen Mittel dafür sind vorhanden, die Frage ist nur warum sie nicht entschieden angewandt werden.

Die meisten kinderpornografischen Webseiten werden in USA, Russland und Israel gehostet, berichtet die „Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder gegen sexuelle Ausbeutung ". Also nicht in Taka-Tuku-Land oder im gesetzlosen Somalia, sondern in Staaten, in denen Kinderpornografie ebenfalls unter Strafe gestellt ist. Und auch verfolgt wird, wie zwei (1 , 2 ) Meldungen beispielhaft belegen. Deutsche Strafverfolger können also jederzeit aktiv werden und die dortigen Behörden veranlassen, kinderpornografische Webseiten zu schließen. Bleiben die Betreiber selbst im Dunkeln, so sind die Hoster der Webseiten und die Registrare der Domains jederzeit ermittelbar  und können veranlasst werden, die entsprechenden Webseiten und Domains zu sperren.

Die effektivste Methode wäre allerdings der Spur des Geldes zu folgen. Versiegt der Geldfluss, bekämpft man die Kinderpornografie an einer ihrer Wurzeln, so verschwindet auch der Handel von kinderpornografischem Material aus dem Netz. Wie das funtionieren kann, hat die Staatengemeinschaft bereits in anderer Sache vorgemacht:

  • Kreditkartenfirmen wurde verboten, Gelder an die Betreiber der angeblich illegalen Seite allofmp3.com weiterzuleiten. Die Seite musste ihren Betrieb danach einstellen.
  • Die USA haben Kreditkartenunternehmen und Banken untersagt, Gelder von US-Kunden an Internetcasinos weiterzuleiten und verfolgen Zuwiderhandlungen mit großer Härte.
  • Des weiteren gibt es interstaatliche Regelungen gegen Geldwäsche und zur Verhinderung des Geldflusses von terroristischen Vereinigung.

Stattdessen will uns die Regierung einen Internetfilter bescheren, der ein Instrument zu einer umfassenden Zensur sein kann. Das Ausfiltern von Webseiten ist ein völlig intransparenter Prozess, die Öffentlichkeit weiß nie, was und weshalb geblockt wird. Neben Kollateralschäden, wie die Sperrung von Wikipedia in England auf Grund eines Skorpion-Covers, räumen dann unsere heimlichen Zensoren schnell im gesamten Erotikbereich auf. Das zeigen die von Wikileaks veröffentlichten Sperrlisten zu genau. In Deutschland hätten wir dann schnell all die (ausländischen) Erotik-Seiten vom Netz, die die umständlichen deutschen Regelungen zur Altersverifikation nicht mitmachen - dem Jugendschutz sei Dank.

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Glücksspiel, könnten dann schnell die ganzen Internetcasinos auch nicht mehr erreichbar sein. Denn „das bestehende Wettmonopol sei konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten", heißt es im Urteil. Deshalb will der Staat sein Wettmonopol mit allen Mitteln verteidigen .

Der Autor weint jenen halbseidenen Geschäftemacher von der Pornoindustrie und den dubiosen Betreibern der Internetcasinos keine Träne nach. Aber von da ist der Weg nicht mehr weit zur politischen Zensur. Versuche gibt es ja bereits, Neonazis, islamistische Fundis und andere Radikalrhetoriker aus dem Netz zu bannen. Aber so wenig man die Meinung von manchen Sektierern und Fundamentalisten teilen mag, sie sind Teil der Meinungsvielfalt in unserer Gesellschaft und Bestandteil der öffentlichen Debatte. Nicht Zensur und Unterdrückung befreit uns von verfehlten politischen und sozialen Thesen, sondern intensive öffentliche Debatten.

Internetfilter sind zudem leicht zu umgehen. Mit anonymen Proxys , VPN-Anbietern, Anonymisierungsdiensten und dem Tor-Netzwerk lassen sich solche Sperren aushebeln. Und es gibt bereits jetzt zahlreiche Dienstleister, die für ein paar Euro im Monat solche Angebote bereit stellen. Dann verdienen eben Zwei an der fehlgeleiteten Lust.

Nachtrag: Familienministerin Von der Leyen hat sich am norwegischen Beispiel für Internetsperren orientiert. Welche Seiten dort gesperrt werden, dokumentiert eine finnische Seite (http://parazite.nn.fi/blocked.nextgentel). Ich warne allerdings ausdrücklich, den dokumentierten Links zu folgen!