15.03.2025 -- 104.989 // Zuwachs zum 28.02.2025: 2.473
Nachdem die Aufmerksamkeit zu unseren Veröffentlichungen wächst, eine kurze Information zu OskarMaria.
Unter diesem Pseudonym war der Initiator im Internet seit über 25 Jahren recht unregelmäßig präsent. Ab dem Jahr 2014 hat er hier über die Situation in den von Russland besetzten Gebieten des Donbass geschrieben. Als einer der ersten Journalisten überhaupt informierte er über die damals neu gegründete Gruppe Wagner.
Beruflich war er seit den 80-iger Jahren Geschäftsführer von diversen Medienunternehmen im Printbereich. Jetzt im Ruhestand, Kinder erwachsen, bleibt etwas mehr Zeit, die gesammelten Erfahrungen zusammen mit wenigen Mitstreitern für dieses Projekt zu nutzen.
Nachtrag: OskarMaria– das ist eine kleine Verbeugung vor dem beinahe vergessenen Schriftsteller Oskar Maria Graf. In Zeiten der Bücherverbrennungen wurden seine Werke von den Nazis verschont, ja sogar teilweise empfohlen. „Verbrennt mich!“ schrieb er 1933 in der Wiener Arbeiterzeitung, „nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen!“ Schließlich floh er in die USA – dort lebte er in bescheidenen Verhältnissen. Deutschland wollte den unbequemen Mann nach dem Krieg nicht wieder haben. Er starb 1967 in New York.
Literaturempfehlung: Wir sind Gefangene - Autobiograhie 1927.
Wir haben bereits über die Tschuktschen-Siedlung Kantschalan berichtet. Zu der Siedlung gibt es keine feste Straße, will man das Dorf besuchen, muss man einen Platz im Hubschrauber buchen. Pawel Alexejewitsch Strukow wurde am 21. September 1990 in Kantschalan geboren und ging dort zur Schule. Er hat einen Beruf erlernt und bekam in seinem Heimatort eine feste Anstellung beim staatlichen Energieversorger für die Region Tschukotka.
Trotzdem meledte sich Pawel im Mai 2023 freiwillig zum ferrnen Krieg in der Ukraine. Am 5. März 25 meldete der Leiter des Bezirks Anadyr, Sergej Sawtschenko, seinen Tod.
Alexander Kljuschin, ein Einwohner der Stadt Melenki in der Region Wladimir, wurde im Krieg gegen die Ukraine getötet. Die feierliche Verabschiedung fand am 2. März statt.
„Alexander Wladimirowitsch wurde am 19. Mai 1980 geboren. Er folgte dem Gebot seines Herzens und kämpfte an der Front gegen den Faschismus und verteidigte sein Vaterland. Diente als Oberschütze. Er hatte den Rang eines Korporals. Er starb am 1. November 2024 bei der Ausübung seines Militärdienstes. Er starb in ehrenhafter Erfüllung seiner Militärpflicht...
Die Bestattungszeremonie fand statt, wie es sich für einen Helden und Verteidiger des Vaterlandes gehört – mit einer Flagge, einem militärischen Gruß und der Hymne des Landes, für das er gekämpft und sein Leben gegeben hat. Ewige Erinnerung und Ruhm ihm!“, schrieb die Lokalzeitung.
Doch das Internet vergisst manches nicht: Im Jahr 2016 wurde Kljuschin wegen Raubes verurteilt. Zuvor saß er bereits wegen vorsätzlicher, lebensgefährlicher Körperverletzung im Gefängnis: Er hatte während eines Streits im betrunkenen Zustand seinen Saufkumpanen niedergestochen. Zuvor war er mehrfach wegen Diebstahls verurteilt worden.
Zurück in das Jahr 2022 - ukrainische Truppen drängen im Juli die russische Armee aus der Region um Cherson. Swetlana Alexandrowna Nadtotschewa und ihre Kameradin Anastasia Sawitskaja kämpfen im Reparatur- und Restaurierungsbataillon der Eisenbahntruppen der russischen Streitkräfte. Sie geraten unter Beschuss und flüchten in einen Keller, aus dem sie nicht mehr lebend herauskommen.
Über beide Frauen ist wenig bekannt, immerhin haben wir eine VKontakte-Seite von Swetlana gefunden. Doch der letzte Eintrag ist aus dem Jahr 2013. Swetlana Alexandrowna Nadtotschewa (Foto), geboren am 03.12.1974, kam aus der Großstadt Newinnomyssk in der Region Stawropol, Anastasia Sawitskaja war 35 Jahre alt, hatte zwei Kinder und wurde in Wolgograd beigesetzt. (Link)
Am 14. Februar 25 wurde im kleinen Dorf "Oberes Tschat" in Baschkortostan Rinat Fanirowitsch Imangulow zu Grabe getragen. Rinat wurde am 31. Mai 1987 geboren umd musste keinen Wehrdienst ableisten. Er wäre stolz gewesen, dass das Militär ihn im letzten Jahr dann doch auf Vertragsbasis genommen hätte, berichtet der Dorfrat. Seine militärische Karriere war vorhersehbar kurz. Am 18.10.24 unterzeichnete er den Vertrag, am 11.12.24 war Schluss.
So bekam der tote Rinat am Ende mehr Aufmerksamkeit als der lebende Rinat jemals erhalten hat. Er wäre ein Beispiel an Mut, Furchtlosigkeit und Tapferkeit, hätte sich als wahrer Verteidiger des Vaterlandes gezeigt, schrieb der Dorfrat zum Abschied, wohl wissend, dass Rinat weder sein Heimatdorf, noch Baschkortostan und auch nicht Russland verteidigt hatte.
Nikolaj Nikolajewitsch Jewstifejew wurde im Dorf Kirja in der russischen Teilrepublik Tschuwaschien geboren. Bald landete er in einem Waisenhaus, damit wurde sein Lebensweg in Russland festgeschrieben.
Mit zehn Jahre wurde ihm eine Pflegefamilie zugewiesen. Die Schule schloss er mit neun Klassen ab, danach besuchte er Fachschulen für Kommunikation und Informatik mit der Spezialisierung auf Computersysteme und -technologien. Nach seiner Ausbildung folgte der Wehrdienst und danach fand Nikolaj keine Arbeit in seinem Beruf - er verdiente als Bauarbeiter seinen Unterhalt.
So meldete sich Nikolaj freiwillig zum Krieg gegen die Ukraine. Am 30. September 24 schloss er einen Vertrag, am 31. Oktober 24 war er tot. Seine Schule hat ihm Ende Januar 25 einen Heldenpult gewidmet.
Wenn man mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau immer weiter nach Osten fährt, dann hält der Zug bei Kilometer 6.906 am Bahnhof von Mogotscha. Das Städtchen im Osten der Region Transbaikalien hat etwa 12.000 Einwohner und ist erst durch den Bau der Eisenbahnstrecke um 1914 herum entstanden. In der Stalinära wurde im Gebiet von Mogotscha Gold abgebaut, bis zu 3.000 Häftlinge aus dem Gulag-System schufteten in den Bergwerken.
Sanan Huseinow ist der Sohn eines wohlhabenden Geschäftsmannes aus Mogotscha mit aserbaidschanischen Wurzeln. Mit 18 Jahren hatte er eine junge Russin kennengelernt, schnell geheiratet und zusammen ein Kind gezeugt. Dann war es auch bald aus mit der Zweisamkeit, Sanan wurde gewalttätig und seine Ehegattin ließ sich scheiden.
Als Sanan schließlich letztes Jahr 31 Jahre alt wurde, war seine Wut noch immer nicht verraucht. Am 6.10.24 verschoss er ein ganzes Magazin Kugeln auf seine geschiedene Frau mit einer durchgebohrten Schreckschusswaffe. Die Frau war sofort tot. Sanan wurde gefasst, kam vor Gericht und vor einem Urteil zog er die "Sie kommen aus dem Gefängnis frei"-Karte. Er meldete sich zum Kriegsdienst in die Ukraine. Die Bevölkerung von Mogotscha protestierte zwar, aber das half nicht.
Viel Lust auf lebensgefährliche Kampfeinsätze hatte Sanan auch nicht, am 12. Februar 2025 unterzeichnete er den Vertrag, am 25. Februar verschwand er von seiner in Donezk stationierten Einheit. Man nimmt an, dass er sich in die Heimat seiner Eltern nach Aserbaidschan abgesetzt hat. (Link)
Sireniki ist ein kleines Eskimodorf mit knapp 500 Bewohnern an der russischen Küste des Beringmeeres in Tschukotka. Früher war es ein reines Eskimodorf mit einer eigenen Sprache - Sirenik, aber die letzte Muttersprachlerin starb 1997. Das Dorf liegt an einer dauerhaft eisfreien Küste, die Bewohner pflegen deshalb die traditionelle Seejagd.
Artem Eineutegin wurde am 27. Juli 1999 in Sireniki geboren und ging dort zur Schule, an einer Fachschule erlernte er den Beruf eines Traktorfahrers. In seinem Heimatdorf lebte er zunächst als Seejäger, wie fast alle Männer dort. Im Jahr 2020 zog er in die Hauptstadt von Tschukotka, Anadyr, wo er im Kindergarten "Zolotoy Kljutschik" arbeitete. Doch nach zwei Jahren kehrte Artem in sein Heimatdorf zurück.
Wahrscheinlich wollte auch Artem mal richtig viel Geld verdienen, im Jahr 2023 meldete er sich zum Kriegsdienst und wurde Drohnenpilot. Am 23. Februar 25 wurde sein Tod gemeldet.
Der Telegram-Kanal "Ich will jemanden finden" veröffentlicht laufend Registerkarten und Interviews mit russischen Kriegsgefangenen, die die russische Seite nicht austauschen will. Angehörige können über einen Bot des Kanals Kontakt zu den Gefangenen aufnehmen. Hier das Beispiel des 57 Jahre alten Oleg Grischakin, ein Sturm-V Soldat:
Oleg Grischakin hoffte aufgrund seines Alters, in der Nachhut zu bleiben, doch stattdessen fand er sich an der Front wieder. Hier ist seine Geschichte:
Oleg Grishakin, Kriegsgefangener, geb. 20.12.1967, 57 Jahre alt aus Krasnoslobodsk, Mordwinien, Russische Föderation. 74. separate motorisierte Gewehrbrigade, in/h 21005 der Streitkräfte der RF. Im Dezember 2024 in der Richtung Pokrowski gefangen genommen.
Oleg Grischakin befindet sich in der Ukraine im Status eines Kriegsgefangenen. Seine Angehörigen können sich an das Projekt „Ich will ihn finden“ wenden, um eine Bestätigung zu erhalten, Kontakt mit ihm aufzunehmen und seine Rückkehr nach Russland im Rahmen eines Kriegsgefangenenaustauschs zu erreichen.
Es ist kalt in Salawat, einer Großstadt in Baschkortostan, als Mitglieder der örtlichen Jugendarmee am 14. Februar 25 Oleg Wladimirowitsch Sigakow zum Grab begleiten. Oleg wurde am 27.04.1983 geboren und wurde im Krieg gegen die Ukraine getötet. Und er muss ein ganz besonderer Soldat gewesen sein, wenn man seinem Nachruf glauben darf:
"Wir haben einen Berufskämpfer verloren, einen wahren Sohn unseres Vaterlandes... Im Laufe seiner Jahre, einschließlich seines Militärdienstes, war Oleg ein Beispiel für eine positive Lebenseinstellung und glaubte nur an das Beste. Er ging sehr sensibel auf die Belange seiner Einheit und seiner Militärpflicht ein. Er stellte zeitlebens hohe Ansprüche an sich selbst, verfügte über die notwendigen organisatorischen Fähigkeiten und war in der Lage, auch unter unvorhergesehenen Umständen Entscheidungen zu treffen und zu handeln.
Denn um all diese Fähigkeiten beim Militär unter Beweis zu stellen, hatte Oleg gerade mal sieben Wochen Zeit - inklusive Anreise und Grundausbildung. Am 18.10.24 unterschrieb er einen Militärvertrag, am 29. November 24 wurde er an der Front getötet.
Viktor Alexandrowitsch Rytschkow, geboren am 3. Dezember 1985, lebte im kleinen Dorf Kokorino in Burjatien. Er war verheiratet, hatte drei Kinder und arbeitete als Vorarbeiter bei einer Baufirma. Sein jüngerer Bruder Pawel wohnte bei ihm und arbeitete während seiner Ausbildung als Aushilfe in der selben Firma.
Bruder Pawel wurde im Herbst 2022 mobilisiert, kam ins Kriegsgebiet und verschwand nach einem Jahr spurlos.
Viktor entschied sich, seinen Bruder zu suchen und meldete sich im Januar 2024 freiwillig an die Front. Bereits am 9. April 24 war sein Einsatz beendet, Viktor wurde bei einem Angriff getötet. Erst Mitte Februar 25 wurde er in seinem Heimatdorf begraben.
Ein Militärgericht in Rostow am Don befand den Gefreiten Nikita Posmetuchow des Mordes an mehreren Menschen, sowie der gewaltsamen Handlungen gegen die Militärbehörden während eines bewaffneten Konflikts für schuldig. Der Fall wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt. (Link)
Der russische Soldat Posmetuchow hatte in der Nacht des 28. November 2023 seine Vorgesetzten in betrunkenem Zustand erschossen - den Unteroffizier Wladimir Glazjew, den Oberstleutnant Stanislav Kljukin, den Hauptmann Michail Trubin und den Gefreiten Wladimir Petritschenko. Wir haben darüber berichtet.
Der 50-jährige Anwalt Wladimir Viktorowitsch Tomilin aus Tschita, der Hauptstadt der Region Transbaikalien, meldete sich im Oktober 2024 freiwillig an die Front - genauer zur Freiwilligeneinheit Bars-17. Das erwartbare Ergebnis seiner Bemühungen bestand darin, bereits am 27. Dezember 24 tot zu sein.
Nun, Wladimir war spezialisiert auf Militärangelegenheiten, also wusste er was ihm blühte und hatte präventiv eine Ansprache verfasst. Die Aufnahme wurde auf seiner Beerdigung abgespielt. Er sagte, dass er nicht einfach so, sondern ganz bewusst an der Sonderoperation teilnehmen würde, um sein Vaterland zu verteidigen. Er bat darum, dass alle sich an ihn erinnern.
Wahrscheinlich wusste auch Wladimir, dass er nicht zur Verteidigung loszog, sondern um ein anderes Land anzugreifen. Aber egal, jetzt bleiben alle die Soldaten, Kriegswitwen und Waisen der Region ohne kompetenten Beistand:
"Er war mehr als 10 Jahre lang als Anwalt für uns tätig. Er war ein wunderbarer Mann, sehr freundlich. Ein Profi wie kein anderer. Er hat dem Militärpersonal, das bei der speziellen Militäroperation dient, sehr geholfen. Und an alle, die zurückgekommen sind und Fragen hatten. Er hat viel mit Wohnungen zu tun – er hat das Verteidigungsministerium auf Wohnraum verklagt. Er war eine große Hilfe. Wir bedauern, was passiert ist," sagte der Vorsitzende der Rechtsanwaltskammer von Tschita.
"Papa, du bist ein Held, vielen Dank für alles! Wir werden dich nie vergessen. Wir alle lieben Dich, wir alle werden uns bis ans Ende unserer Tage an Dich erinnern. Das Himmelreich und die sanftesten Wolken für dich, Papa …," schreibt Daria aus dem russisch besetzten Donezk.
Der nicht mehr ganz junge Wjatscheslaw Gennadjewitsch Ostankow hatte sich zum Kriegsdienst in der russischen Armee verpflichtet und die Entscheidung nicht überlebt. Dafür darf sich jetzt Daria über eine höchst großzügige Abfindung des russischen Staats erfreuen.