Sergey SavenokIn einer kurzen Bildergeschichte hatten wir vom Kadettenausbilder Sergej Nikolajewitsch Sawenok berichtet, der mit dem Satz "Lasst sie uns töten" aus Sibirien in den Ukrainekrieg abgereist war. Die "Menschen vom Baikalsee" erzählen aktuell die ganze Geschichte, wir dokumentieren davon Teile, gekürzt um Persönliches:

Sergey Savenok wurde am 1. Juli 1961 im Dorf Kontarnoye in der Region Donezk in der Ukraine geboren. Nach der 10. Klasse trat er in die Höhere Militärschule Simferopol ein und wurde stellvertretender Kompaniechef für den politischen Teil der militärischen Bauabteilung. Dann diente Sergej in Usbekistan. 1988 wurde er zur Militäreinheit Ussolje-Sibirski in der Region Irkutsk versetzt, wo er weiterhin als politischer Ausbilder tätig war. 1996 erhielt Sergei Savenok den Rang eines Oberstleutnants und ging 2009 in den Ruhestand.

Danila Yurievich KrivovozAnna Malinowskaja - 13. Okt. um 22:05 -- Кривовоз Данила

Heute, nein schon gestern, kam die schreckliche Nachricht. Danila Yurievich Krivovoz starb in der Nähe von Soledar. Ein weiteres Opfer unserer krummen Justiz.

Danya verbüßte eine Strafe für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte. Ein Bekannter von ihm tötete ein Mädchen und einen Jungen und erzählte Danya davon. Seine Eltern waren zu dieser Zeit im Urlaub. Als sie ankamen, bemerkten sie sofort, dass mit ihrem Sohn etwas nicht in Ordnung war. Seine Mutter erklärte: "Er war nicht er selbst." Nach vielen Verhören erzählte er seinen Eltern schließlich, dass R. B. (ich werde hier keine Einzelheiten nennen) einen Mord begangen und die Leichen der Toten im Wald versteckt hatte. Sein Vater (ein ehemaliger Polizist - ein echter "Sowjet" mit Ehre und Gewissen) überredete seinen Sohn, zum Untersuchungskomitee zu gehen und alles zu erzählen, was Danya auch tat.

Aber sie untersuchten nicht und sagten: "Da du es weißt, hast du ihn getötet. Und dann - ein Strafverfahren, ein Prozess und eine 24-jährige Haftstrafe. Die Mutter hoffte, dass unser Strafverfolgungssystem am Ende alles in Ordnung bringen würde und ihr Sohn nach Hause kommen würde. Sie hat nicht einmal die Sachen in seinem Schreibtisch und Kleiderschrank aufgeräumt. Sie hat nur oberflächlich geputzt - Staub gewischt, Staub gesaugt, den Boden gewischt.

Fünf Jahre später, als sie merkte, dass es niemand eilig hatte, die Dinge zu ordnen, beschloss sie, vor Ostern seine Sachen auszusortieren, und fand in seinem Schreibtisch einen USB-Stick (einen kleinen, von seinem Telefon). Sie beschloss zu sehen, was darauf war. Da war eine Menge Musik und eine Audioaufnahme.

Anhand der charakteristischen Geräusche wird deutlich, dass das Tonbandgerät versehentlich eingeschaltet wurde, offenbar als Danil Zigaretten holte. Auf der Tonaufnahme erzählt ihm sein Bekannter, wie er Menschen getötet und wo er die Leichen versteckt hat, und Danil überredet ihn, ein Geständnis zu schreiben, indem er sagt, dass man nicht sein ganzes Leben lang wegläuft, worauf er wörtlich antwortet "Versuchen Sie nur, es jemandem zu sagen, dann ziehe ich Sie mit mir runter."

Es folgt ein weiteres Gespräch und die Aufnahme wird unterbrochen. Überraschenderweise schaltete sich das Diktiergerät genau in diesem Moment ein, und der USB-Stick wurde am Ostersonnabend gefunden. Natürlich brachte ich diese Aufnahme zur Staatsanwaltschaft, schrieb einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens aufgrund der neu entdeckten Umstände, aber niemand wollte der Sache nachgehen. Und warum? Der Mann ist bereits im Gefängnis und die Straftat wurde aufgeklärt. Und niemand kümmert sich darum, dass ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt! Aber Danka war ein Optimist! Ich habe ihn immer wieder in der Kolonie besucht, wir haben den Fall von vorne bis hinten studiert, das Urteil angefochten, die Antworten unserer Staatsanwaltschaft, usw. Und er hat immer an sich selbst zuletzt gedacht.

Danila Yurievich Krivovoz Die ganze Zeit bat er darum, anderen zu helfen, erzählte ihnen, dass jemand krank sei und nicht behandelt werde, dass jemand ein ungerechtes Urteil erhalten habe, dass jemand unrechtmäßig inhaftiert worden sei.... Im Allgemeinen bat er für jeden, außer für sich selbst.

Und er starb auf dieselbe Weise - indem er andere rettete. Nach Angaben von Vertretern des Verteidigungsministeriums zog er sieben Verwundete aus dem Beschuss, kehrte für den achten zurück und starb selbst - an einer Schrapnellwunde im Hals.

Er saß ruhig in der Kolonie, er unterstützte keine kriminelle Subkultur, aber er ließ sich trotzdem eine Tätowierung auf die Schulter stechen. Seine Mutter schimpfte sehr mit ihm, aber dank dieser Tätowierung wurde er erkannt. Er ging am 25.07.2023 nach SWO, starb am 19.08.2023, und wurde erst jetzt identifiziert.

Später werde ich diese Tonaufnahme veröffentlichen, und dann wird unser Strafverfolgungssystem vielleicht ein Gewissen haben. Vielleicht wird Danya freigesprochen, zumindest posthum, er hat es verdient, er hat sieben Leben gerettet, er ist ein Held! Schlaf gut, Danechka....

Kirill Petrowitsch KuschnirBekeschewka ist ein kleines Kosakendorf in der Region Stawropol. Jeder kennt jeden, die Menschen leben meist von oder mit eigener kleiner Landwirtschaft. Vor Jahren zog eine im Dorf bisher unbekannt Frau in die Gemeinde, die als Pflegemutter sich um Kinder und Jugendliche kümmerte. Zwei dieser Kinder kamen von ihrem Stiefbruder, über dessen Vita die Geschichte ans Licht kam.

Jener Stiefbruder, Kirill Petrowitsch Kuschnir (Foto mit Frau), verbrachte 2019 mit seiner Familie den Urlaub in Jessentuki, einem Kurort in der Region Stawropol. Er war damals 25 Jahre alt, seine Frau, Anastasia Cojocaru, war vier Jahre älter.  Kirill, damals schon ein gewohnheitsmäßiger Säufer,  hatte den Verdacht, dass seine Frau ihn betrügen würde. Besoffen und außer sich vor Wut erschlug und erwürgte er seine Frau auf offener Straße. Ein Überwachungsvideo dokumentierte die Tat. Erschöpft legte er sich dann neben den leblosen Körper und schlief ein. Am anderen Morgen wurde er verhaftet.

Komsomolsk am Amur D1

Denkmal in Komsomolsk am Amur - Foto:  Radio Liberty Sibirien via Telegram

Komsomolsk am Amur ist eine Großstadt im fernen Osten Russlands. Dort herrscht ein kontinentales Klima, auf Grund der Nähe zum Pazifik gibt es deshalb im Sommer häufige Wirbelstürme - auf russisch Ураган. Jetzt ist auf dem dortigen Friedhof in aller Stille ein Denkmal errichtet worden, das der paramilitärischen OMON-Polizeieinheit "Wirbelsturm" gewidmet ist - genauer gesagt zwölf getöteten OMON-Polizisten, meist Offiziere, in der Ukraine.

Perm FlusstalFlusstal in Perm -- Urheber:  Annapurna - Eigenes Werk - CC BY-SA 4.0

Perm, die Haptstadt der Region, ist von Moskau gut 1.300 km entfernt. Die östlichste Millionenstadt Europas war noch bis 1991 eine für Ausländer verbotene Stadt. Der Grund waren die Rüstungsbetriebe in der Stadt, auch heute verfügt die Stadt über eine sehr starke industrielle Produktion - noch vor Ufa und Jekaterinburg. Und als Nebenprodukt soll Perm auch die höchste Kriminalitätsrate Russlands aufweisen.

Perm: Teil I bis 100 -- Teil II bis 200 -- Teil III bis 400 -- Teil IV bis 600 -- Teil V bis 800 -- Teil VI bis 1.000 -- Teil VII ab 1001

Tomsk Abend

 Tomsk am Abend  -- Foto: Vladimir Zhdanov -- Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Oblast Tomsk liegt nördlich der drei westsibirischen Regionen Omsk, Nowosibirsk und Kemerowo. In der Region leben 1,05 Millionen Menschen, davon in der gleichnamigen Hauptstadt 525 Tausend. Die Förderung von Gas und Öl, deren industrielle Weiterverarbeitung und die Holzwirtschaft sind die ökonomischen Schwerpunkte von Tomsk. Die Stadt Tomsk ist eine der ältesten Stadte Sibiriens und zudem eine Universitätsstadt mit etwa 100.000 Studenten. Die Region hat zudem mit 0,9% eine noch zählbare Minderheit an Russlanddeutschen.

Oblast Tomsk: Teil I bis 200 -- Teil II ab 201

Wolgograd Panorama Mamajew Huegel

Blick auf die Stadt vom Mamaev-Hügel - Urheber: FontCity - Eigenes Werk CC BY-SA 4.0

Wolgograd - auf dem Mamajew-Hügel steht heute eine große Gedenkstätte der russischen Opfer in der Schlacht um Stalingrad (heute Wolgograd). Vielleicht sollte eine weitere Gedenkstätte hinzukommen, denn die Stadt hat hohe Opferzahlen im Ukrainekrieg zu verzeichnen.

Wolgograd: Teil I bis 99 -- Teil II bis 200 -- Teil III bis 300 --  Teil IV bis 400  -- Teil V bis 600 -- Teil VI bis 800 -- Teil VII ab 801

 Elbrus Gebirge Der Elbrus mit 5642 m Höhe höchster Gipfel des Kaukasus -- Foto: Jaan Künnap -  Lizenz: CC BY-SA 4.0

Kabardino-Balkarien ist eine kleine russische Teilrepublik im Norkdaukasus mit etwa 900.000 Einwohnern. Das Elbrusmassiv liegt in großen Teilen in der Republik. Die Kabardiner, ein Stamm der Tscherkessen, stellen knapp 60% der Bevölkerung des Landes. Die Balkaren, ein Turkvolk, machen etwas über 10% der Einheimischen aus und die ethnischen Russen stellen über 20% der Einwohner - mit abnehmender Tendenz.

Das Land ist überwiegend muslimisch geprägt. Die Region ist wirtschaftlich schwach, die Landwirtschaft dominiert. Der Tourismus war einer der Hoffnungsträger der Region, kam aber wegen schwacher Infrastruktur und Unruhen zum Erliegen.

Kabardino-Balkarien: Teil I bis 100 -- Teil II  ab 101

Alexey DergachevAlexey Dergachev war ein Söldner der Gruppe Wagner, der am 20.12.22 irgendwo in der Ukraine getötet wurde. Der Mann saß eine 15-jährige Strafe wegen Raubes ab und wurde aus der Haftanstalt heraus für den Krieg in der Ukraine rekrutiert.  Im Alter von 21 Jahren begann seine gerichtlich festgehaltene Laufbahn.

Zusammen mit einem Komplizen gab er vor ein Auto verkaufen zu wollen. Beim Treffpunkt auf der Autobahn in der Region Stawropol bedrohten die beiden die potentiellen Käufer mit einer Pistole, nahmen die Kaufsumme von zwei Millionen Rubel an sich und warfen eine Granate in deren Auto. Die Opfer kamen knapp mit dem Leben davon (Pressebericht).

In Haft bekam Alexey noch eine weitere Strafe. Er hatte umfangreiche Totoos an seinem  Oberkörper, die ihn als Mitglied von "A.Y.E." auswies. In Russland sind diese Symbole verboten.

OM Wieder steigen die Todeszahlen unter den russischen Soldaten und kein Ende ist in Sicht. Im Gegenteil - wenn man den aktuellen Berichten glauben kann, dann hat sich das Gemetzel von Bakhmut nach Awdijiwka verlagert. Russland schickt seine Soldaten in den Tod um marginale Geländegewinne zu erzielen. Die Resultate werden wir erst ab Anfang November registrieren können.

In den 66 Regionen Russlands haben wir Stand 30.09.23 insgesamt 27.078 russische Kriegstote namentlich vorgestellt. Hochgerechnet auf ganz Russland ergibt das 33.100 gefallene Soldaten, die Zahl entspricht unserer internen Datenbank für ganz Russland, die wir im Moment noch nicht öffentlich gemacht haben.

Überdurchschnittlich viele Kriegstote hatten seit der letzten Veröffentlichung die Region Irkutsk und die Region Krasnodar zu verzeichnen. In Irkutsk kamen 49 neue Gräber auf dem Wagner Friedhof hinzu. Gründe für den überdurchschnittlichen Zuwachs in Krasnodar konnten wir nicht ermitteln.

Ebenfalls zu erwähnen wäre, dass in den sibirischen Regionen Burjatien, Irkutsk und Omsk die lokalen Initiativen wesentlich mehr Kriegstote (zwischen 50 und 100)  ausweisen als wir registriert haben. Dabei stützen wir uns in vielen Fällen genau auf deren Veröffentlichungen. Ein Grund ist definitiv, dass in die lokalen Statistiken auch Kriegstote einfließen, die wir anderen Regionen zuorden. Ein häufiges Beispiel: Männer aus Transbaikalien werden durch die "Menschen am Baikalsee" in Burjatien gelistet, wenn sie dort beim Militär gedient haben. Wir versuchen aber die Differenzen aufzuklären.

Evgeniy Aleksandrovich PicchuevAll die von uns öffentlich gemachten Meldungen über die gefallenen russischen Soldaten haben einen Nachteil. Wir übernehmen ungeprüft die Meldungen lokaler Medien oder sozialer Netzwerke. Etwas anderes wäre auch niemals möglich. Leider haben viele dieser Meldungen einen Haken - über die Toten wird nur Gutes berichtet. Und deshalb manchmal auch gelogen, dass sich die Balken biegen. So auch im Falle unseres Helden aus Transbaikalien.

Jewgeni Alexandrowitsch Pichujew wurde am 28. August 1988 im Dorf Kholbon in Transbaikalien geboren. Als Söldner der Gruppe Wagner ist er im Februar 23 beim Kampf um die Stadt Bakhmut gefallen. In der Sekundarschule seines Dorfes wurde am 25. September ein sogenannter Heldenschreibtisch zu seinen Ehren eingerichtet und der Mann in höchsten Tönen gelobt. Tatsächlich war Jewgeni aber ein Mörder und Räuber.

Tundra

Orientierungspunkt in der Tundra -- Urheber: Vorcuta - CC BY-SA 4.0

Die Republik Komi liegt im äußersten Nordosten Europas, Hauptstadt ist Syktywkar. Das Land ist dünn besiedelt, etwa 900.000 Menschen leben dort, davon über 200.000 in der Hauptstadt. Die Landschaft ist flach, eine dünnbesiedelte Taiga- und Tundra-Vegetation. Das Gebiet ist reich an Bodenschätzen mit Kohle, Erdöl, Erdgas und Eisenerzen.

Wie aus allen, noch so entfernten Regionen sterben auch Bürger Komis im Ukrainekrieg.

Komi: Teil I bis 150 -- Teil II bis 300 -- Teil III ab 301

BritischerGeheimdienst 22.10.23Der britische Geheimdienst hat in seiner gestrigen Veröffentlichung zum Ukrainekrieg die personelle Situation der russischen Armee beleuchtet. Dabei hat er auch eine Abschätzung zu der Anzahl an Kriegstoten, zu den schwer- und leichter verletzten Soldaten abgegeben:

Es ist wahrscheinlich, dass Russland seit Beginn des Konflikts 150.000 bis 190.000 dauerhafte Opfer (getötet und dauerhaft verwundet) zu beklagen hat, wobei die Gesamtzahl einschließlich der vorübergehenden Verwundeten (die genesen sind und in gewisser Weise auf das Schlachtfeld zurückkehren sollen) etwa 240.000 bis 290.000 beträgt . Dies schließt nicht die Wagner-Gruppe oder ihre Gefangenenbataillone ein, die in Bachmut kämpften.

Diese Einschätzung hebt sich von anderen staatlichen Veröffentlichungen ab, die häufig mit kaum nachvollziehbaren Zahlen operieren und eher der Propaganda zuzuordnen sind. Wir wollen die britischen Erkenntnisse mit unseren zum 15. September 23 vergleichen.

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