31.08.2024 -- 68.100 // Zuwachs zum 31.07.24: 4.246
Am 9. Mai haben wir über die Stadt Kropotkin im Süden Russlands berichtet. Dort wurde ein neues Denkmal für die im Krieg gegen die Ukraine getöteten russischen Soldaten der Stadt und Region errichtet. Die Stadt ist nach dem russischen Fürsten und Anarchisten Pjotr Kropotkin (1842 - 1921) benannt, der sich für eine gewalt- und herrschaftsfreie Gesellschaft einsetzte. Zu unserem damaligen Text gibt es jetzt einen Film, den wir nicht vorenthalten wollen.
Der Salarinski-Bezirk in der Region Irkutsk hat knapp 27.000 Bewohner, die Transsibirische Eisenbahn fährt durch das Gebiet. Kohle wird im Tagebau und wird Steinsalz untertage gefördert.
Anfang Mai veranstaltete die Bezirksverwaltung einen Gedenktag für die Opfer der Region im Krieg gegen die Ukraine. Wir geben den Text zum Film im übersetzten Original wieder:
Weiterlesen: Ein Bezirk der Region Irkutsk gedenkt der Kriegstoten
Keine Region hat aktuell so viele Kriegstote zu beklagen wie Baschkortostan. Und noch immer registrieren wir täglich zahlreiche neue Opfer aus den Dörfern und Kleinstädten des Landes. Und auch keine Region liefert so eindrucksvolle Bilder von den Trauerfeiern wie Baschkortostan.
Ende Mai wurde der Freiwillige Jamil Chadjullowitsch Jagudin (geb. 1984) im kleinen Dorf Baimowo bestattet. Das Dorf hat um die 1.000 Einwohner und ist das Verwaltungszentrum des Gemeindebezirks. Die Bevölkerung schrumpft und lebt bescheiden. Auffällig ist - auf der Treuerfeier finden sich meist nur ältere Menschen, vielleicht weil sie an einem Montag stattfand und weil ob der vielen Begräbnisse, das Interesse nachlässt.
Der Krieg gegen die Ukraine geht auch an der Oblast Wologda nicht vorbei. Bei nur etwa 1,2 Millionen Einwohnern haben wir in Wologda bisher 614 gefallene Soldaten im Krieg gegen die Ukraine gezählt. Und es gibt Niemanden in der Region, der versucht, nicht veröffentlichte Kriegofer öffentlich zu machen.
Die Bezirkskosakengesellschaft Wologda, das sind in der Regel glühende Befürworter des Krieges, hat Ende Mai eine Liste mit zehn Namen veröffentlicht, die alle erst in den Tagen zuvor öffentlich bekannt wurden. Drei Namen auf der Liste waren uns bisher unbekannt. Wir veröffentlichen den Beitrag der Kosaken, weil er zeigt, dass sich die hohen menschlichen Verluste der russischen Armee in allen Regionen deutlich bemerkbar machen. Welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, ist eine andere Sache.
Die Stadt Balaschicha liegt nur vier Kilometer von der Stadtgrenze Moskaus entfernt und ist mit über 400.000 Einwohnern auch eine Großstadt. Auf einer "Allee der Erinnerung" wurden Ende Mai Ahornbäume gepflanzt, jeder stellvertretend für einen getöteten Soldaten im Krieg gegen die Ukraine.
Einer der vielen Beweggründe für den Krieg Russlands gegen die Ukraine war die wirtschaftliche und politische Situation in den beiden von Russland initiierten und geführten Republiken Donezk und Luhansk. Dort war eine mafiöse politische und wirtschaftliche Struktur entstanden mit Bandenkriminalität, unbegrenzter Selbstbereicherung der politischen Akteure und selbstherrlichen Kosakenverbänden, die eigene Pläne verfolgten.
Viele der damaligen Akteure erlitten einen schnellen Tod, hier fungierte die zu dieser Zeit frisch gegründete Gruppe Wagner als "Problemlöser". Aber auch Geheimdienste - russische und wahrscheinlich auch ukrainische räumten unter den Sepraratisten auf, was meist mit deren Tod endete.
Wir wiederholen hier einen Beitrag von OskarMaria vom 8. Februar 2017, allerdings aktualisiert mit einigen neuen Erkenntnissen und Personen.
Das Foto oben zeigt die Separatisten, die 2014 den Verwaltungssitz von Luhansk erobert hatten. Die meisten davon sind inzwischen getötet oder ins Exil verbracht worden.
Weiterlesen: Der schnelle Tod der Separatistenführer des Donbass
Die russische Teilrepublik Komi liegt im Nordosten Europas, ist dünn besiedelt mit einer Taiga- und Tundra-Vegetation. Chef der Republik ist Wladimir Ujba, der seit 2020 die Geschicke der Region bestimmt. Ujba ist Arzt und Wissenschaftler, mit reichlich Erfahrung im Management und in der Politik. Im Jahr 2020 wurde er nach Komi geschickt, als die Corona-Infektionen dort aus dem Ruder gelaufen waren.
Ujba wurde zunächst kommisarisch ernannt, stellte sich dann noch im gleichen Jahr zur Wahl. Bei einer Wahlbeteiligung von 30% der wahlberechtigten Bevölkerung erhielt er 73% der Stimmen.
Ujba ist kein feingeistiger Wissenschaftler, sondern ein Mann fürs Grobe. Als er 2021 von einem Abgeordneten der kommunistischen Partei attackiert worden war, wollte er die Sache wie ein Mann handhaben und drohte mit Prügel. Auch im Krieg Russlands gegen die Ukraine übernimmt er die Sprachregelungen der Staatsführung, die wir hier an zwei Beispielen dokumentieren wollen:
Weiterlesen: Wladimir Ujba, Chef von Komi - der Arzt fürs Grobe
Alexander Reuka war Absolvent der Schule und wurde am 21.08.23 im Krieg gegen die Ukraine getötet. Am 21. Mai 24 bekam er eine Gedenktafel.
Weiterlesen: Die Schule Nr. 15 in Kursk enthüllt eine Gedenktafel
Eine der Legenden der russischen Propaganda handelt vom bewaffneten Aufstand der Donbass-Bewohner gegen die ukrainische Regierung im Jahr 2014.
Richtig ist, dass es damals lokale Demonstrationen gegen die neue Regierung und deren prowestlichen Kurs gab. Dass daraus dann ein bewaffneter Aufstand entstand war den Akteuren in Moskau geschuldet, die bewaffnete Kämpfer heimlich über die Grenze gebracht hatten und versuchten, die dortige Bevölkerung zum bewaffneten Kampf zu motivieren. Diese Taktik ist damals nicht aufgegangen, nur wenige Bewohner wollten sich daran beteiligen. Dafür sickerten immer mehr bewaffnete Einheiten aus Russland in den Donbass ein.
Eine der Akteure im russischen Krieg gegen die Ukraine ist seit 2014 die internationale Brigade „Pjatnaschka“ - übersetzt "fünfzehn". Die Brigade wurde im Sommer 2014 von einem aus der Region Krasnodar stammenden Abchasen zusammengestellt, am Anfang waren es nur 15 Mann, daher der Name. Ihre erste wesentliche Aktion bestand darin, den Campus der "Christlichen Universität" in Donezk zu besetzen.
Panorama von Juschno-Sachalinsk -- Foto: yab994 -- Lizenz: CC BY-SA 2.0
Die Insel Sachalin, die größte Insel Russlands, liegt ganz im Osten des Landes im Pazifischen Ozean. Sie war lange zwischen Japan und Russland umstritten, Ende des zweiten Weltkriegs wurden die Japaner von der Insel vertrieben und später verzichtete Japan auf seine Ansprüche. Gouverneur der Insel ist seit Ende 2018 Valery Limarenko, ein erfolgreicher Wissenschaftler, der ab 2001 eine zunächst aussichtsreiche politische Karriere startete, aber aus undurchsichtigen Gründen ganz weit weg abgeschoben wurde.
Limarenko ist trotzdem Parteisoldat geblieben, unterstützt den Krieg gegen die Ukraine, aber er veröffentlicht auf seinem Telegramkanal regelmäßig die Opfer des Krieges aus seinem Verantwortungsgebiet, im Gegensatz zu allen anderen Regionen. Da ist eine ordentliche Liste bereits zusammen gekommen, zum 15.05.24 haben wir 575 Kriegstote aus Sachalin erfasst. Die Region liegt folglich ganz vorne wenn man die Opfer in das Verhältnis zur Bevölkerungszahl setzt. (Teil I - Teil II)
Im Rahmen des Allrussischen Projekts „Gesichter der Helden“ enthüllt die Michailowskaja-Sekundarschule aus Tomsk eine Gedenktafel zu Ehren ihres im Krieg gegen die Ukraine getöten ehemaligen Schülers Denis Alexandrowitsch Merkurjew.
Die Stadt Schelesnogorsk liegt in der Region Krasnojarsk in Sibirien und wurde erst 1950 gegründet. Sie ist eine geschlossene Stadt mit kerntechnischen Anlagen und einer Produktion von Weltraumsatelliten. Die Stadt hat inzwischen über 80.000 Einwohner.
Die Schule Nr. 93 in Schelesnogorsk betrauert einen ehemaligen Schüler, Dmitri Jewgenjewitsch Mogutin, der im Krieg gegen die Ukraine getötet wurde. Die Schüler müssen deshalb zu einer Erinnerungswache antreten.
Jakow Aleksandrowotsch Erschow ist keiner der vielen gefallenen Soldaten, von denen wir gerade mal den Namen kennen, sondern einer der ersten russischen Soldaten, die die Ukraine gefangen nehmen konnte. Sein Verhör durch einen ukrainischen Beamten wurde am 28. Februar 2022 bei Twitter veröffentlicht. Damals war der junge Mann eingeschüchtert, aber unverletzt. Seine Geschichte wurde in den verschiedensten Medien dokumentiert, seine Verwandten hofften damals, dass er bald aus Gefangenschaft zurückkehren könnte. Doch Mitte Mai 24 wurde bekannt, dass Jakow Ende 2023 tot den russischen Behörden übergeben wurde.
Das kann viele Gründe haben, wir haben deshalb am 24.Mai sowohl bei der ukrainischen Botschaft in Deutschland als auch beim ukrainischen Verteidigungsministerium nachgefragt, was mit dem jungen Mann passiert wäre, aber bisher keine Antwort erhalten.
Gehen wir zurück in das Jahr 2022. Das Video mit Jakow wurde erstmalig am 27. Februar 2022 in einem Telegram-Kanal veröffentlicht, einen Tag später war es dann auf Twitter zu sehen.
„Wie viel ist dein Leben wert?“ – fragt ein unbekannter Mann aus dem Off Jakow, der vor ihm auf dem Stuhl sitzt. Er ist rasiert und trägt dunkelgrüne Thermounterwäsche. Jetzt hat er große Angst und ist sehr jung. „Ich weiß es nicht…“, antwortet er ruhig.
Bergsee in der Republik Altai -- Foto: Alexandr frolov -- Lizenz: CC BY-SA 4.0
Berge, Seen und Täler - so könnte man die russische Teilrepublik Altai beschreiben, die sich im Süden Sibiriens im Altai Gebirge befindet. Sie sollte nicht mit der Region Altai verwechselt werden, die nördlich der Republik liegt.
Die Republik Altai ist dünn besiedelt und wird von etwas mehr als 200.000 Menschen bewohnt. Den größten Anteil davon stellen die Russen mit 57% aber fallender Tendenz, die Altaier haben einen Anteil von 34 %, der langsam ansteigt. Die Altaier sind ein Turkvolk mit eigener Sprache.
Die Region ist arm, etwa 70% der Bevölkerung lebt auf dem Land und betreibt Tierhaltung und Landwirtschaft. Und so wundert es auch nicht, dass sich Männer aus dem Altai in das ferne Kriegsgeschehen begeben, um dort auf die Schnelle so viel Geld zu verdienen, wie sie mit ihrer normalen Arbeit niemals bekommen könnten. Die Region hat deshalb eine sehr hohe Anzahl an Kriegstoten gemessen an der Bevölkerung.
Vier Sechs Beispiele im Originaltext aus den letzten Tagen: (das Siebte findet man hier)
Weiterlesen: Aus der malerischen Republik Altai in den fernen Krieg
Etwa 50 km östlich von Jekaterinburg liegt die Kleinstadt Saretschny mit knapp 30.000 Einwohnern. Und richtig - die Stadt ist erst durch den Bau eines Kernkraftwerks entstanden. 1957 begann die Planung, 1964 ging der erste Block an das Netz, inzwischen sind vier Blocks gebaut worden, der letzte ging 2016 ans Netz. Dazu wurde auch noch der Fluss Pyschma zu einem See aufgestaut, an dessen Ufer Saretschny liegt.
Aus Saretschny kommen auch Iwan Aleksandrowitsch Gurjanow und Konstantin Wladimirowitsch Demtschenko, die beide im Krieg gegen die Ukraine getötet wurden.
Gleich vorneweg - die Oblast hat mit dem Namen nichts zu tun. Inzwischen leben weniger als 1% jüdische Russen in diesem Gebiet. Seit den Jahren um 1930 gab es den Plan in diesem Gebiet eine jüdische Region zu initiieren. Der Judenhass in Deutschland und antijüdische Stimmungen in Russland führten dazu, dass man ihnen einen eigenen Bereich möglichst weit weg im Osten verschaffen wollte. Nach dem 2. Weltkrieg wollte Russland zudem eine eigene Alternative zu Israel entwickeln. Das raue Klima und der schlechte Entwicklungsstand der Region führten dazu, dass die angesiedelten Juden wieder abwanderten. Die Bevölkerung schrumpft noch immer. Das Land hat nach Tuwa und Tschetschenien den geringsten Entwicklungsstand Russlands.
Dafür gibt es jetzt große Werbetafeln, die eigentlich für was werben? Für den Tod im fernen Krieg in der Ukraine? Die beiden Soldaten sind dort gefallen. Die Behörden der Hauptstadt meinen: Valentin Krasilow (links) und Pawel Tschernikow (rechts) gaben ihr Leben für das Vaterland, für die Welt ohne Nazismus, für uns!
In der Stadt Schumerlja, Tschuwaschische Republik, wurde am 15. Mai 24 der Major Dmitri Wjatscheslawowitsch Kutschajew (Foto links) bestattet. Er war am 4. Mai von seinem eigenen Soldaten erschossen worden. Wir haben berichtet. Täter war wohl der 57-jährige Juri Galuschko, der den Major und gleich fünf weitere Soldaten mit einem AK-12 Sturmgewehr erschossen hatte. Auf den Beisetzungsfeierlichkeiten war das alles kein Thema, genau so wenig wie das Verhalten des Majors gegenüber seinen Untergebenen.
Inzwischen wurde nämlich bekannt, dass Major Kutschajew sich bereits vor einem Militärgericht wegen seines Verhaltens gegenüber Untergebenen verantworten musste. Ein Soldat war ihm ungepflegt erschienen, dem verpasste er eine Salve Ohrfeigen und trat ihn danach noch etwas im Beisein von anderen Soldaten. Nun es muß schon vorher viel passiert sein, denn solche Lapalien kommen im russischen Militär eher nicht zur Anklage. Die Strafe von 40.000 Rubel blieb auch überschaubar.
Das Dorf Tischtschenskoje liegt in der Region Stawropol im Süden Russlands. Es hat etwa 3.300 Einwohner, einen Kindergarten, die Schule Nr. 8, eine Bibliothek und ein Kulturhaus. Und es hat einen "Helden": Oleg Sergejewitsch Kindjukow ist im Krieg gegen die Ukraine gefallen. Eine Gedenktafel an der Schule wurde am 13. Mai 24 enthüllt. Also schrieb die Schule:
Der Name Oleg Sergejewitsch Kindjukow wird für immer in unseren Herzen bleiben. Er war ein echter Held – mutig und stark, mit enormer Standhaftigkeit und Liebe zum Vaterland. Oleg verteidigte unser friedliches Leben, damit wir studieren, arbeiten und Kinder großziehen konnten.
Dorf Kurumkan vor dem Bargusingebirge -- Foto: Аркадий Зарубин -- Lizenz: CC BY-SA 3.0
Kurumkan ist ein Dorf mit etwa 5.500 Einwohnern in Burjatien. Es liegt in einem Tal zwischen dem Bargusin- und dem Ikatgebirge. Der Baikalsee ist etwa 50 km entfernt.
Wieviele Männer aus dem Dorf und dem Bezirk Kurumkan inzwischen im Krieg gegen die Ukraine getötet wurden, wissen wir nicht, da häufig bei den Meldungen die Ortsangaben fehlen und wir ab 2023 auch die Dörfer und Städte nicht mehr erfasst haben. Aber es müssen viele sein, eine kurze Suche in unseren Texten ergab bereits 15 verschiedene Fälle.
Nachstehend eine weitere Meldung auf VKontakte:
Im Zeitraum ab dem 15. August sind die Berichte über getötete russische Soldaten zurückgegangen. Die Anzahl der gefallenen Soldaten, die wir bearbeiten, ist aber gleichbleibend sehr hoch. Das erklärt sich daraus, dass immer mehr Altfälle öffentlich werden.
Es gibt Verzeichnisse von Friedhöfen, bei denen die Toten aus dem Krieg gegen die Ukraine ausgewiesen werden, es gibt Filme, die die Kriegsgräber auf den Friedhöfen dokumentieren und es gibt Initiativen, die in den Regionen systematisch die Friedhöfe und Medien nach gefallenen Soldaten durchsuchen. So kommen eine Menge Altfälle auf unseren Tisch.
Soweit möglich, werden wir in unserem Abschluss des Monats August versuchen, die Anzahl zu quantifizieren.
Wir meinen, jene russische Sperrverfügung zielt genau in die richtige Richtung. Wir versuchen immer wieder, nicht nur schnöde Zahlen zu liefern, sondern den vielen russischen Opfern dieses Krieges ein Gesicht zu geben. Noch immer ist für uns aktuell, was wir mit einem Tucholsky-Zitat am 11. Januar 23 beschrieben haben:
Es wird von den Schrecknissen des Krieges gesprochen. Darauf sagt ein Diplomat vom Quai d’Orsay: „Der Krieg? Ich kann das nicht so schrecklich finden! Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik!“
Die Rückbesinnung auf das Leid der einzelnen Menschen kann man natürlich in russischem Juristensprech als "als Verstoß gegen die Rechte der Bürger auf Privatsphäre, Persönlichkeits- und Familiengeheimnis" bezeichnen. Abgesehen davon, dass wir nur das publizieren, was bereits öffentlich gemacht wurde, zeigt jene Reaktion aus Russland, dass wir mit unseren Veröffentlichungen nicht ganz falsch liegen.
Unser Bericht über die beiden Kriegsdienstverweigerer aus Kemerowo, Gennadi und Semjon Kiskorow, stützt sich auf Informationen der russischen Agentur Astra. Die russisch sprachige Webseite von "Radio Free Europe" hat am 20.08.24 einen aktuelleren Beitrag veröffentlicht, der auch eigene Recherchen enthält. Das Thema wird mit mehr Details behandelt, die Autoren vermuten, dass auch der zweite Bruder nicht mehr lebt.
Am 13. Juni 24 veröffentlichte das US-amerikanische Verteidigungsministerium Zahlen zu den russischen Kriegsopfern. Verteidigungsminister Austin sagte dazu bei einem Nato-Treffen, dass seit Beginn des Krieges mindestens 350.000 russische Soldaten getötet oder verwundet wurden.
Den Bericht haben wir erst jetzt zur Kenntnis genommen.
Immer wieder von Neuem schockiert uns die Menschenverachtung und Brutalität des russischen Militärs. Und nein - wir meinen damit nicht, was dieses Militär ihrem Gegner den Ukrainern antut - das tut es sowieso in diesem Krieg, sondern wir meinen den Umgang mit den eigenen Soldaten. Ohne Ausbildung werden sie schlecht bewaffnet an die Front geworfen, heute angekommen, morgen tot und niemand scheint sich dafür zu interessieren.
In einem Beitrag der Exilpublikation Meduza wird über ein besonders grausames Regiment berichtet, das früher eine Einheit der "Donezker Volksrepublik" war. Dort würden die Soldaten als "Fleisch" begriffen, das man für den Erfolg der Schlacht opfern würde. Schuld wären die Kommandeure der ehemaligen Volksrepublik, die 2014 im Donbass die Macht übernahmen und eigentlich ukrainischer Herkunft wären.
Bei solcher Darstellung sind wir nur entsetzt. Abgesehen davon, dass alle Einheiten inzwischen der russischen Militärführung unterstellt sind, bestand die sogenannte Volksmiliz der "Donezker Volksrepublik" zum großen Teil auch aus Russen. Die Führung wurden teilweise vom russischen Geheimdienst dort hin abgestellt. Und wer von den Kommandeuren nicht nach der russischen Pfeife tanzen wollte, wurde schnell liquidiert.
Es gibt einen neueren Beitrag der BBC zu unserem Thema (Bericht vom 04.08.24), den russischen Verlusten im Krieg gegen die Ukraine. Darin wird von der bisherigen Abschätzung der tatsächlichen Kriegstoten abgewichen. Bisher hat die BBC angenommen, dass aus offenen Quellen nur die Hälfte der Kriegstoten ermittelt würden. In deren Statistik wurde folglich von einer doppelten Anzahl an russischen Kriegstoten ausgegangen. Im neuen Beitrag schreibt die Autorin: "Militärexperten meinen, unsere Analyse russischer Friedhöfe, Kriegsdenkmäler und Todesanzeigen erfasse 55-70% der wahren Todeszahlen..."
Das enspricht in etwa der Linie, die wir seit unserer ersten Abschätzung vertreten haben - nämlich dass wir nur etwa 60% aller Kriegsopfer erfassen. Ansonsten berichtet die BBC wieder von jenen 20.000 - 25.000 Kriegstoten der Donbassmilizen, die man noch addieren müsse. Vielleicht - vielleicht auch nicht, meinen wir. Denn jene Milizen sind zum großen Teil mit russischen Staatsbürgern aus ganz Russland bestückt, die dann auch in den regionalen Todesmeldungen in Russland wieder auftauchen. Ukrainische Bürger, die auf der Seite Russlands kämpfen, erfassen wir auch und benennen sie regelmäßig bei den Auswertungen.
Da wir ständig die russische Presse durchsuchen, ein paar Worte zum Thema Kursk. Für uns völlig überraschend ist, dass selbst relativ "liberale" Medien wie z.B. Fontanka aus St. Petersburg kaum darüber berichten. Wenn man einen Artikel findet, dann basiert der auf den offiziellen Verlaubarungen zu diesem Thema. Ansonsten in welche Region man auch schaut, keine Berichte sind auf den Titelseiten zu finden.
Wir sitzen gerade an der Auswertung des Monats Juli 24 und sind guter Hoffnung, alles bis morgen abschließen zu können. Mit aktuellen Nachrichten geht es auch ab Donnerstag weiter.
Wir haben heute den 23. Juli abgearbeitet, sind also eine Woche im Rückstand. Die Todeszahlen bleiben hoch. Der Monatsabschluss des Juli wird sich um etwa 10 Tage verzögern. Deshalb ein paar Trands im Voraus:
Für viele Auswertungen bleibt uns wenig Zeit. Wenn jemand Interesse daran hat, unsere Listen auf andere Aspekte hin auszuwerten, bitte!
Auf Anforderung senden wir gerne einfache Tabellen im Format Calc von Libre Office des Monats Juni 24 zu. Die Listen enthalten, den übersetzten Namen, den russischen Namen, die Region, den Link auf die Originalinformation und Angaben soweit bekannt zum Geburtsdatum, Todesdatum und Informationen zum Rang bei Offizieren/Freiwilliger/mobilisiert/Sondereinheit.
Einzige Bedingung - bei Veröffentlichung bitte unsere Webseite angeben.
eMail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Nachdem die Aufmerksamkeit zu unseren Veröffentlichungen wächst, eine kurze Information zu OskarMaria.
Unter diesem Pseudonym war der Initiator im Internet seit über 25 Jahren recht unregelmäßig präsent. Ab dem Jahr 2014 hat er hier über die Situation in den von Russland besetzten Gebieten des Donbass geschrieben. Als einer der ersten Journalisten überhaupt inormierte er über die damals neu gegründete Gruppe Wagner.
Beruflich war er seit den 80-iger Jahren Geschäftsführer von diversen Medienunternehmen im Printbereich. Jetzt im Ruhestand, Kinder erwachsen, bleibt etwas mehr Zeit, die gesammelten Erfahrungen zusammen mit wenigen Mitstreitern für dieses Projekt zu nutzen.
Nachtrag: OskarMaria– das ist eine kleine Verbeugung vor dem beinahe vergessenen Schriftsteller Oskar Maria Graf. In Zeiten der Bücherverbrennungen wurden seine Werke von den Nazis verschont, ja sogar teilweise empfohlen. „Verbrennt mich!“ schrieb er 1933 in der Wiener Arbeiterzeitung, „nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen!“ Schließlich floh er in die USA – dort lebte er in bescheidenen Verhältnissen. Deutschland wollte den unbequemen Mann nach dem Krieg nicht wieder haben. Er starb 1967 in New York.
Literaturempfehlung: Wir sind Gefangene - Autobiograhie 1927.
Doppelt
Wladimir: 25. Artem Kozhenkov // Nischni Nowgorod: 35 Artem Kozhenkov
Wolgograd: 01 Juri Agarkov // Pskow: 41 Juri Agarkow
Kutelev Stanislav, dreifach, Kostroma, Rjasan und Orenburg. Nur Orenburg
Nikolai Symov, Rjasan & Tschuwaschien - nur Tschuwaschien
Mamontov Mikhail - Krasnodar Teil 1 & Teil 2
Ivan Alekseevich Chulkov, Kostroma, Pos. 51/56
Elimov Alexey Michailowitsch , Kostroma & Tschuwaschien
Falsch einsortiert
Ruslan Khamitov, Tscheljabinsk, kein Söldner der Gruppe Wagner
Kargopol ist eine der ältesten Stadte in der Region Archangelsk mit weniger als 9.000 Einwohnern. Ein Soldat aus der Stadt wurde bei jenem HIMARS-Angiff in der Nacht vom 8. auf 9. August getötet. Die Verwaltung der Stadt schrieb darauf folgenden Nachruf:
Michail Anatoljewitsch Sofronow starb bei der Erfüllung von Aufgaben während einer speziellen Militäroperation auf dem Gebiet der Region Kursk am 9. August 2024.
Michail Anatoljewitsch, geboren am 2. Oktober 1974, ist Absolvent der Uchotskaja-Sekundarschule, er war ein fröhlicher, freundlicher, sympathischer Mensch, immer bereit zu helfen.
Während seines Dienstes blieb M.A. Sofronov dem Militäreid treu, hielt sich heilig an die Verfassung der Russischen Föderation, hielt sich strikt an die Anforderungen der Militärvorschriften und Befehle der Kommandeure, erfüllte seine Pflicht mit Würde, war mutig und entschlossen, ein wahrer Patriot sein Land.
Pawel Alexandrowitsch Tscheremisin aus der russischen Region Karelien ist am 6. Juni 2024 im Krieg gegen die Ukraine getötet worde. Zu seinem Tod finden sich einige Einträge bei VKontakte, nur nennt niemand sein Alter oder Geburtsdatum. Auf Grund seines jugendlichen Aussehens haben wir versucht etwas mehr über Pawel zu erfahren und sind fündig geworden. Aber gleich vorneweg - sein Alter konnten wir nicht recherchieren.
Dafür fanden wir ein Urteil des Stadtgerichts Segescha vom 29. März 2023. Darin wird Pawel so charkterisiert: Er hat eine Meldepflicht und einen ständigen Wohnsitz, wird vom örtlichen Polizeikommissar zufriedenstellend beschrieben, es liegen keine Beschwerden über das Verhalten zu Hause vor, ist ledig, hat ein unterhaltsberechtigtes kleines Kind und ist nicht erwerbstätig, nicht bei der Agentur für Arbeit gemeldet; keine Vorstrafen. Am Ende des Urteils wird Pawel zu einer fünfjährigen Strafe wegen des versuchten Handels mit Drogen verurteilt.
Den Rest der Geschichte kann man sich getrost zusammenreimen. Pawel wurde vor oder während der Haft zu einem Sturm-V Kommando rekrutiert. So kam er frei, musste aber bei Angriffen ganz vorne dabei sein.
„Wir wollen es nicht glauben, es scheint, als würde es an der Tür klingeln, wir werden uns umarmen und weinen, dass das nicht so ist ... Unsere kleine, warme Sonne ...“, schrieb seine Mutter.
Manchmal stolpert man über alte Fälle. Jedes Jahr zum Geburtstag von Wladimir Igorewitsch Nozdrin veröffentlichen Freunde auf VKontakte eine Todesanzeige. Geht man der Sache nach, dann findet man einen Donbass-Separatisten der ersten Stunde. Dumm nur, dass auch dieser "Separatist" gar nicht aus dem Donbass stammte, sondern aus der russischen Stadt Rostow am Don.
Wladimir wurde am 22.04.1984 dort geboren und bei einer der vielen Kampfhandlungen an der Demarkationslinie am 12.06.2017 getötet.
Ab 1. August 2014 kämpfte er in der LPR (ab 24. September - CheGuevara Brigade), dann ab 11. Mai 2015 in der DPR (GRU-Spezialeinheiten).
Artem Jurjewitsch Turowtsew kam aus dem Dorf Krasnoswobodnoje in der Region Tambow. Das ist beinahe alles, was wir über den russischen Soldaten wissen.
Aber auch Artem befand sich in jener Kolonne, die in der Nacht vom 8. und 9. August in der Region Kursk durch einen HIMARS-Raketenangriff der ukrainischen Armee komplett zerstört wurde.
Im Nachruf schreibt die Dorfgemeinde: "Für seine Landsleute und Einwohner Russlands wird Artjom Jurjewitsch für immer ein Beispiel der Loyalität gegenüber dem Vaterland bleiben. Wir werden sein Andenken für immer in unseren Herzen behalten...
P. S. KRIEG WIRD NUR VON DENEN GELIEBT, DIE DURCH IHN BEREICHERT WERDEN. WIR ALLE WOLLEN DEN FRIEDEN, ABER WIR KÖNNEN IHN NOCH NICHT ERREICHEN...."
Telegram - 17.08.2024 - Antikriegsprojekt der Region Stawropol:
Ein Soldat aus Mineralnyje Wody starb in der Nähe von Kursk.
Der Name des Verstorbenen war Viktor Okunew. Er war 43 Jahre alt. Den Fotos zufolge war der Mann ein Vertragssoldat.
Ich werde nicht müde, zu wiederholen, dass der Krieg gegen die Ukraine beendet werden muss. Er wird die Toten nicht zurückbringen, aber er wird das endlose Fließband des Todes zugunsten eines verrückten alten Tschekisten stoppen, der am Ende seines Lebens steht. Männer haben im zivilen Leben etwas zu tun!
Nein zum Krieg!
Namensliste der verstorbenen Soldaten aus Mineralnyje Wody (70 Namen):
https://teletype.in/@otkrovenya_minvod/spisok-pogibshih-minvody
Allgemeine Liste der Opfer aus der gesamten Region Stawropol (1255 Namen):
https://teletype.in/@otkrovenya_minvod/spisok-pogibshih-stavropolye
Warum findet das russische Militär immer wieder neue Soldaten als Freiwillige, wenn doch klar ist, dass die Chance den Militärdienst gesund zu überleben recht klein ist? Natürlich spielen die hohen Zahlungen des Staats eine Rolle, dieses Risiko einzugehen. Manchmal findet man die Antwort auch in den Lebensläufen der Soldaten.
Juri Andrejewitsch Talbuninin, geboren am 11.11.1998, kam aus der großen Siedlung Mogoituy in Transbaikalien. Ende Juni 24 unterschrieb er einen Vertrag, am 1. August 24 starb er im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Er war sicher weniger als 14 Tage an der Front. Im Nachruf schreibt die Ortsverwaltung:
Bis zu seinem 16. Lebensjahr lebte er mit seinen Eltern im Dorf Nomokonowo. Dann zog er nach Mogoituy und lebte bei seinem Onkel. Absolvent von neun Klassen. Verheiratet. Arbeitete von 2018 bis 2020 als Hilfsarbeiter im Café Bagulnik. Er arbeitete auch als Metzger im Café ODON und bekam dann eine Anstellung im Straßendienst des Dorfes Zabaikalsk.
Im Februar 2024 bekam er eine Stelle als Lader-Spedition bei Partners Noyabrsk LLC (Novaya Chara, Udokan Copper). Er hat 2 Monate lang in einer Schicht gearbeitet.
Artem Dobrodumski war ein 22-jähriger Wehrpflichtiger, der bei der ukrainischen Offensive in der Region Kursk getötet wurde. Der junge Mann kam aus der Stadt Schachti in der Region Rostow am Don.
Sein Tod wurde durch den Karate-Klub bekannt gemacht, für den er wohl mehrfach erfolgreich antrat. Die Tatsache, dass Artem ein Wehrpflichtiger war, löschte der Karate-Club umgehend.
Der kleine Film zeigt Danilo Dmitrowitsch Mitrofanow, geboren am 23. Juni 2002. Er kommt aus dem Bezirk Jurlinski in der Region Perm. Danilo hatte sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet und hatte Glück - er wurde in einem Waldgebiet in der Gegend von Bakhmut gefangen genommmen.
Danilo bekam als Soldat keine Waffe, seine Aufgabe bestand darin, Nahrung und Wasser an die Front zu bringen - was gefährlich genug ist. Danilo hat eine Behinderung der 2. Gruppe wegen geistiger Beeinträchtigung. Wir hatten bereits über ähnliche Fälle berichtet. Aber die Leute von der Rekrutierung nehmen offensichtlich jeden.