NutePelmen

Nutepelmen LageEs gibt nur wenige Orte auf der Erde, die so abgelegen sind wie der Ort Nutepelmen. Er liegt an der nordöstlichen Küste der Tschuktschen-Halbinsel zur Tschuktschensee. In der Sommerhälfte kann man das Dorf mit einem Schiff oder Hubschrauber von Wankarem aus erreichen. Im Winter gibt es eine fast 200 km lange Eispiste bis zur nächsten Straße. Aber wir haben das alles schon hier geschrieben.

Das Dorf hatte im Jahr 2021 noch 133 Bewohner. Kürzlich ist ein junger Sanitäter aus dem Dorf im Krieg gegen die Ukraine getötet worden - Roman Rachthyn, geboren am 12.01.1987. Aktuell wird der nächste Gefallene aus dem Ort gemeldet - Waleri Sleptsow - geboren am 9. August 1985.

All diese jungen Tschuktschen im besten Alter sind in einem Land aufgewachsen, das reich an Bodenschätzen ist. Die Menschen dort haben wenig von diesem Reichtum, der landet in den Zentren Russlands. Und so sterben auch diese Menschen nur für die russische Welt. Genau das sagt auch der Nachruf auf den jungen Mann:

Dimtry Malyschew und Alex Malennikow

Kannibale Dmitri Malyschew (links) und Zerstückler Alexander Maslennikow (rechts)

Der Kannibale Dimitry Malyschew war vor zehn Jahren zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden, der Mörder zweier Frauen Alexander Maslennikow musste seit 2017 insgesamt 23 Jahre absitzen. Beide trafen im Oktober 2023 zusammen, als sie sich einem Sturm-V Kommando anschlossen. In einem Interview mit einem Internetmedium aus Wolgograd sagte Malyschew:

"Alexander und ich saßen zusammen und unterzeichneten im Oktober 2023 gemeinsam einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium. Wir dienen in Sturm V. Ich kannte Leute, die nur zum Tapetenwechsel aus der Kolonie hierherkamen. Sie verschwinden normalerweise schnell. Aber ich verstand, warum ich ging und wohin ich ging. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihrer kleinen Tochter in der Grundschule gesagt würde, wie man ein Kondom richtig anzieht? Oder werden Männer die Straße entlanggehen und sich gegenseitig küssen? Ist das für Sie normal? Für mich ist das nicht normal."

Also wird es Zeit, uns den Lebensweg dieser beiden Gesellen etwas genauer anzuschauen:

Maxim Sergejewitsch KutsarDer Mann auf dem Foto heißt Maxim Sergejewitsch Kutsar und kam aus einem Dorf in der sibirischen Region Omsk. Er saß im Gefängnis und wurde dort von der Gruppe Wagner rekrutiert. Am 7. Mai 2023 ist er gefallen. Aber diese Informationen sind schon lange Routine, die eigentliche Geschichte begann 11,5 Jahre zuvor.

Maxim war im August 2012 zur Geburtstagsfeier der Mutter seiner Freundin eingeladen. Dort trank er reichlich über den Durst und begann zu randalieren. Der Hausbesitzer verweigerte dem damals 20-jährigen jungen Mann weiteren Alkohol. Irgendwann schlief auch der Hausbesitzer ein und Maxim nahm Rache. Mit einem Messer und einem Schraubenzieher stach er auf den Kopf und Hals des Mannes ein. Der Mann war sofort tot.

Adgam Jamilowitsch Nurtdinow

Starokangyschewo ist ein kleiner Flecken in Baschkortostan  mit gerade mal 125 Einwohnern - alles ethnische Baschkiren. Das Dorf hat schon bessere Zeiten gesehen, im Jahr 2002 zählte man noch knapp 400 Bewohner.  Die Stadt Djurtjuli ist 14 km entfernt, in der Stadt leben über 30.000 Menschen. Und der nächste Bahnhof ist 122 km weit weg. Am 24. April wurde im Dorf Starokangyschewo ein getöteter Soldat im Krieg gegen die Ukraine begraben.

Da Baschkortostan im Moment die höchste Zahl an Kriegstoten zu verzeichnen hat, dokumentieren wir, wie die Verwaltungen der Bezirke diese Verluste der Bevölkerung vermittelt. Lassen wir Rip Jusupow, Leiter des Bezirks Djurtjulinsky zu Wort kommen:

An einem bewölkten Tag kommen Tränen ...

Baschkortostan 16.04.24Auch weiterhin hat die Republik Baschkortostan die meisten gefallenen Soldaten der Regionen in unserer Statistik zu verzeichnen. Knapp 500 Kriegstote sind zwischen dem 01.01.24 und dem 15.04.24 dazu gekommen.

Wir dokumentieren deshalb eine weitere eine Meldung des baschkirischen Telegram-Kanals Aspekte:

Während der SVO wurden 10 weitere Soldaten aus Baschkortostan getötet. Sie haben sich dieser Tage von ihnen verabschiedet.

Bilibino

Bilibino in Tschukotka -- Foto: Doctor Digger Shrew -- Lizenz: CC BY 3.0

Bilibino, das ist ein kleines Städtchen im "Autonomen Kreis der Tschukschen" mit etwas über 5.000 Einwohnern. Es ist gleichzeitig das Zentrum des  Bezirks Bilibinsky, in dem noch weitere 2.000 Menschen leben, also insgesamt etwa 7.200 Personen. Und das auf einer Fläche, die etwa der Hälfte Deutschlands entspricht.

Das Leben dort ist rau - die durchschnittliche jährliche Lufttemperatur ist durchgehend negativ und schwankt zwischen (-4 −5) °C an der Küste und (-12 −14) °C im kontinentalen Teil. Die Bevölkerung dort besteht hauptsächlich aus Tschuktschen und Ewenen. Aber das Land ist reich an Bodenschätzen.

Aus Bilibino kam auch Leonid Wladimirowitsch Napak, der im russischen Krieg gegen die Ukraine gefallen ist. Der Verwaltungsleiter der Region Jewgeni Safanow schreibt dazu auf Telegram:

Ildar Samigulow

Ildar Samigulow kam aus dem Karmaskalinsky Bezirk von Baschkortostan mit etwa 50.000 Bewohnern. Die Region ist landwirtschaftlich geprägt, aber es gibt auch Ölfelder, die erschlossen werden.

Ildar war 42 Jahre alt und hat den Kriegsdienst nur wenige Tage überlebt. Nachstehend der lokale Bericht über seine Beisetzung:

Gornjak

Im hintersten Winkel der Altai Region an der Grenze zu Kasachstan liegt der Bezirk Loktewski. Dort leben etwa 20.000 Menschen - Tendenz abnehmend. Das Zentrum des Bezirks ist die Kleinstadt Gornjak, in der etwa die Hälfte der Bezirksbewohner lebt.

In der Sonntagsschule der orthodoxen Kirche wurde jetzt eine Erinnerungsecke eingeweiht, mit den Namen der Soldaten aus dem Bezirk, die im Krieg gegen die Ukraine ihr Leben gelassen haben. Es sind nicht wenige.

Perm 10.04.24

In unserer Zusammenfassung vom 15.04.24 haben wir die hohe Zahl an Kriegstoten aus den Regionen Wolga und Ural dokumentiert. Die Region Perm ist an vierthöchster Stelle bei den gefallenen Soldaten in diesem Jahr. Aus gegebenem Anlass dokumentieren wir den Bericht eines Telegram-Kanals aus Perm "Perm 36,6 GEGEN KRIEG" vom 10.04.24.

❗️Freunde, es gibt so viele Tote, dass wir keine Zeit haben, sie zu verarbeiten und zu veröffentlichen. In Wirklichkeit liegt die Zahl der Todesopfer nur nach minimalen Schätzungen bereits bei über 1.500 Menschen. Über alle werden wir bald schreiben!

Irgend etwas stimmte mit Andrei Blum nicht, wenn er betrunken war. Der Sohn eines seiner Opfer schrieb über Andrei: "Ich möchte Sie daran erinnern, dass er mitten am Tag betrunken mit seinem Auto durch die Stadt fuhr und dann einen älteren behinderten Mann, meinen Vater, mit einem Messer angriff, seinen Reifen durchbohrte und seine Windschutzscheibe zerschmetterte. Später, vor der Polizei, versuchte er, völlig betrunken, meinen Vater zu schikanieren und stürzte sich mit seinen Fäusten auf mich. Wenn in unserem Land die Menschen dafür nicht ins Gefängnis kommen, dann ist es umsonst. Wir haben solche „Helden“ gesehen."

Andrei Blum ging zur Gruppe Wagner, überlebte das Gemetzel,  fuhr danach betrunken Auto und bedrohte einen Rentner. Um der Strafe zu entgehen, verpflichtete er sich im November 23 erneut bei der russischen Armee. Im März 24 wurde er als vermisst gemeldet, im April wurde er in der Region Wladimir betrauert.

Auf seinem Smartphone hat Andrei zwei Videos hinterlassen, die durchaus interessant sind. Im erste Film dokumentiert er die schwierigen Bedingungen, unter denen die Soldaten leben und kämpfen - auf beiden Seiten der Front. Das zweite Video stellt ein Telegram-Kanal aus Wladimir vor, der ebenfalls den Lebenslauf von Andrei Blum beleuchtet. Wir geben den Beitrag übersetzt wieder:

Obliwski BezirkDer Obliwski-Bezirk liegt in der Region Rostow. Er besteht aus sieben Gemeinden und hat knapp 17.000 Bewohner. Das Gebiet ist landwirtschaftlich geprägt, hauptsächlich wird Getreide angebaut. Der größte Ort im Bezirk ist das Dorf Obliwskaja mit über 11.000 Einwohnern. Das Dorf hat auch einen Bahnhof (Foto) an der Verbindung zwischen Rostow und Wolgograd.

Wie aus vielen anderen ländlichen Gebieten auch sterben Bewohner des Bezirks im Krieg gegen die Ukraine. Eine regionale Internet-Zeitung hat 17 Namen veröffentlicht, also genau einen getöteten Soldaten pro 1.000 Bewohner. Darunter befinden sich auch sechs Söldner der Gruppe Wagner und ein Sturm-Z Soldat. Alle Wagner Söldner hatten wir bisher nicht erfasst, auch nicht die regulären Soldaten Konstantin Woloschenko, Andrej Babilja und Petr Satischew.

Valentin Jello

Nach unserer aktuellen Statistik zum 15.04.24 haben wir 62 Tote des russischen Angriffskriegs aus dem "Autonomen Kreis der Tschuktschen (Tschukotka)" gezählt. Das mögen gesamtstatistisch gesehen nicht viele Opfer sein, für eine Region mit nur 50.000 Einwohnern, aber doppelt so groß wie Deutschland, sind das wirklich viele. Zudem sind diese Kriegstoten alles Männer im besten Alter, die für das Zusammenleben dort unter extremen Bedingungen unverzichtbar sind. Dazu kommen noch die vielen schwer verletzten Soldaten. Tschukotka steht deshalb an dritthöchster Stelle in unserer Statistik, wenn man die Kriegstoten in Relation zur Bevölkerung setzt.

Heute haben wir vom Tod eines weiteren Tschuktschen erfahren - Valentin Jello, ein mobilisierter junger Mann, der als Sanitäter in der Hauptstadt Anadyr gearbeitet hat. Wir geben den Bericht der Lokalzeitung ungekürzt wieder

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