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Lorino - Bootslandeplatz und Straße zur Ortsmitte -- Foto: Ansgar Walk -- Lizenz: CC BY-SA 3.0

Lorino ist eines der größeren Dörfer ganz im Nordosten von Tschukotka. Das Dorf liegt an der Metschigmenskaja-Bucht der Beringsee und hat knapp 1.500 Einwohner, sowohl Eskimos als auch Tschuktschen (Wikipedia).  Aus diesem Dorf kam Ankas Aimetgirgin, geboren am 27. Juni 1995. Wir haben den jungen Mann unwissentlich bereits vorgestellt. Er war Tänzer des Ergyron-Ensemble, einem Tanz- und Gesangsensemble der Tschuktschen. Einen Auftritt für Kinder haben wir auf der Regionenseite von Tschukotka vorgestellt.

Ankas Aimetgirgin musste das Tanzen aufgeben, ging zurück nach Lorino und arbeitete als Seejäger. Auch ihn lockte das viele Geld in den Krieg, der nicht seiner ist. Am 26.02.2025 wurde er getötet.

Wir veröffentlichen den Nachruf der Presseagentur von Tschukotka im übersetzten Orginaltext:

Witali Rykow In unserer Rubrik Kurzbiografien stellen wir russische Soldaten vor, die nur eine kurze Zeit im Kriegseinsatz überlebt haben. Da sich der Ablauf fast identisch wiederholt, veröffentlichen wir die Beiträge mit der Überschrift "Ohne viele Worte" im Formularstil. Nach einigen Wochen haben wir die Anzahl dieser Beiträge stark reduziert, da sie einen zu großen Platz in unserer Berichterstattung eingenommen hätten. Doch das Thema ist weiter aktuell, wie wir mit einigen Beispielen aus wenigen Tagen zwischen dem 3. und 5. April 2025 zeigen wollen.

Es stellt sich die Frage - warum lassen sich die russischen Freiwilligen so einfach in selbstmörderische Angriffe jagen, ganz ohne zu rebellieren?

Paralympics 2020 in Tokyo: Der Silbermedaillenlauf von Alexander Rabotnitsky

Wie Menschen mit psychischen Diagnosen für den Krieg rekrutiert werden

Am 23. März 2025 kam Alexander Rabotnitsky, ein Paralympionike aus Omsk mit der Diagnose „geistige Behinderung“, im Krieg in der Ukraine ums Leben. Seine Freunde, Verwandten und Kollegen sind schockiert, dass das russische Verteidigungsministerium einen Vertrag mit dem Mann unterzeichnet hat, bei dem eine „organische Hirnschädigung“ diagnostiziert wurde.

Aktuell bittet die Mutter eines anderen Soldaten um Hilfe, um ihn von der Front zu holen. Nach Angaben von Olga Wakruschewa wurde der 22-jährige Alexej, bei dem eine geistige Behinderung vom Typ VIII diagnostiziert wurde, unter der Androhung rekrutiert, wegen Diebstahls für zehn Jahre ins Gefängnis zu kommen. In der Einheit in Wologda wurde er von Kommandanten und Soldaten misshandelt: Er wurde geschlagen und mit Vergewaltigung bedroht. Nachdem Alexej mit Benzin übergossen wurde und ihm versprochen wurde, ihn anzuzünden, gelang ihm die Flucht.

Beiden Rekruten wurde zugesichert, dass ihnen „aufgrund ihrer psychiatrischen Diagnose keine Waffen ausgehändigt würden“, aber beide wurden nach Angaben ihrer Familien wiederholt mit Sturmgewehren losgeschickt.

Mitrifanow Kutusow Gladyschew

Die Fotos zeigen drei russische Freiwillige, die wir bereits vorgestellt haben. Ganz links - das ist Danilo Dmitrowitsch Mitrofanow, geboren am 23. Juni 2002, der von ukrainischen Einheiten gefangen genommen wurde und lebt. In der Mitte sieht man Andrej Romanowitsch Kutusow, 22 Jahre alt, der das Sturm-V-Kommando nicht überlebt hat. Und das Foto rechts zeigt Alexej Iwanowitsch Gladyschew, geboren am 12. März 2004, den seine Mutter seit dem 22.03. an der Front sucht - wahrscheinlich ist er tot.

Alle drei junge Männer haben eins gemeinsam - sie sind/waren geistig behindert und wurden deshalb nicht zum Wehrdienst eingezogen. Und die Drei sind auch keine Einzelfälle durch Fehler der Rekrutierungsämter - hinter deren Verpflichtung steckt ein System.

Roman Merkel Mark Kinsfater Jewgeni Wiktorowitsch Rindfleisch
Roman Reingartowitsch Merkel
geboren am 16.04.1978 aus der Stadt Sajanogorsk in Chakassien.
Freiwilliger, ab März 2024 ohne Kontakt zu Angehörigen.
Link
Mark Iwanowitsch Kindsvater
geboren am 04.03.19194, Friedhof in der Stadt Koltschugino in der Region Wladimir, Link
genau übersetzt "Kinsfater", der mehrfach wegen Diebstahls verurteilt wurde.
Jewgeni Wiktorowitsch Rindfleisch
geboren am 26.10.85 aus dem Dorf Talaja, Gebiet Kemerowo.
Wurde 2022 wegen kleinerem Diebstahl (Schaden 750 Rubel =7,5 €) zu 2 Jahren Haft verurteilt. Link 1, Link 2

Die folgende Liste enthält 50 Namen aus dem Monat März 2025, die von Russlanddeutschen sein können. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und vielleicht haben manche Namen auch einen anderen Ursprung. Richtigstellungen nehmen wir gerne entgegen. Wir haben beim Außenministerium Deutschlands nach Erkenntnissen angefragt, warum sich so viele deutsche Nachnamen in den Listen der gefallenen russischen Soldaten befinden, aber bisher noch keine Antwort erhalten.

Andrej Wjatscheslawowitsch Kobyzew

Gerade sind wir in Pokrowsk, einer Kleinstadt mit etwa 12.000 Bewohnern im Changalasski Ulus in Jakutien. Im Januar liegen dort die Tagesdurchschnittstemperaturen bei -40° Celsius. Das Foto oben wurde in der Pokrowskaja Sekundarschule am 23. April 2024 erstellt. Der Lehrer für Geschichte und Sozialkunde ist für einen Besuch an seine Schule gekommen. Andrej Wjatscheslawowitsch Kobyzew gehörte zu den im Herbst 2022 mobilisierten Männern und hatte Urlaub vom Krieg. Am 8. Dezember 24 wurde er getötet.

Denis Alexandrowitsch Gabdrafikow

Am 18.März 2025 wird der 19-jährige Denis Alexandrowitsch Gabdrafikow zu Grabe getragen. Wir sind hier im Dorf Demsky, Bezirk Bischbuljakski in Baschkortostan. Das Dorf hat etwa 1.000 Einwohner, der nächste Bahnhof ist 65 km entfernt. Denis ist einer der vielen Baschkiren, die sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet haben und die schnell in einem Zinksarg wieder nach Hause kommen.

Über Denis wissen wir nur wenig. Er ist in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, wie das folgende Foto vor dem Haus seiner Eltern zeigt.

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18 Meldungen aus Baschkortostan

Wir haben die Initiative "Fremder Krieg" aus Baschkortostan bereits vorgestellt (Teil I, Teil II), die versucht, die hohen Verlustzahlen Baschkiriens aufzuklären und die Bürger der russischen Teilrepublik warnt, an einem Krieg teilzunehmen, der nichts mit den Interessen der Baschkiren zu tun hat - deshalb der Name "Fremder Krieg".

Wir haben achtzehn aufeinander folgende Meldungen vom 17. und 18 März 2025 der Initiative übersetzt und veröffentlichen sie nachstehend. Den gleichlautenden Text zu allen Meldungen haben wir nur bei den ersten drei Nachrichten belassen.

Alle hier vorgestellten Kriegstoten sind Freiwillige - sie sind Täter in einem verbrecherischen Krieg und Opfer zugleich. Durch die Zusammenstellung bekommt man einen Eindruch, was für Menschen sich zum Freiwilligendienst entschieden haben. Ein Kommentator fasst das so zusammen:

Sehr optimistisch sehen diese russischen Soldaten nicht aus, die sich zweieinhalb Minuten lang ausruhen, eine Zigarette rauchen und auf eine warme Suppe hoffen. Wie viele von ihnen werden aus der Ukraine lebend und unverletzt zurückkehren? Der aktuelle Film stammt von einer Pfadfindereinheit, die sich aus Soldaten der russischen Teilrepublik Tuwa  zusammensetzt.

LeonidSchaidorowDer St. Petersburger Bürgerrechtler Leonid Schaidurow ist im Krieg gegen die Ukraine getötet worden. Über die genauen Umstände kann nur spekuliert werden, da von seinen Angehörigen genauere Angaben verweigert werden. Leonid hatte als Schüler der 10. Klasse eines Gymnasiums eine Schülervereingung gegründet, die sich auch gegen die Militarisierung des Schulsystems aussprach. Um so mysteriöser ist jetzt sein Tod. Doch politisch unbequeme Menschen müssen in Russland immer um ihr Leben fürchten.

Etwa 40.000 Menschen wohnen im Pallasowsky Bezirk in der Oblast Wolgograd. Zentrum des Bezirks ist die Stadt Pallasowka mit 15.000 Einwohnern. Welche Funktion im Bezirk Gulnera Maskalowa (Foto links) genau hat, konnten wir nicht erfahren. Vermutlich ist sie Verwaltungsleiterin.

Und Frau Maskalowa ist auch eine leidenschaftliche Unterstützerin des Krieges gegen die Ukraine. Auf ihrer VKontakte-Seite berichtet sie von den Aktiviäten zur Kriegsunterstützung ihres Bezirks, zum Beispiel ein Seminar zum Thema „Patriotische Erziehung jüngerer Schüler im Unterricht und bei außerschulischen Aktivitäten“.

Der Zweck dieses Seminars besteht darin, Erfahrungen auszutauschen, wie man bei Schülern Patriotismus, Liebe zum Vaterland und Stolz auf ihr Land fördern kann.

Zu ihrem Job gehört auch die rotinierte Verabschiedung der getöteten Soldaten aus ihrem Bezirk, wir hatten darüber bereits berichtet. Zwischen dem 9. und 11. März 25 waren es drei getötete Mitbürger: Kadrbay Akbulatowitsch ImataliewSergej Romanowitsch Tschernowalow und Alexander Walkowsky.

Aktuell hat Frau Maskalowa einen Film über die im Jahr 2024 getöten Soldaten des Bezirks veröffentlicht mit insgesamt 28 Namen. Wir konnten 12 neue Kriegstote nachtragen.

Armawir Schule

Unsere nächste Gedenkstätte, die wir vorstellen wollen, befindet sich in der Großstadt Armawir in der Region Krasnodar. Die vielen russischen Kriegstoten bringen es mit sich, dass an vielen Stellen einer Stadt solche Ehrenalleen entstehen. Wir befinden uns hier auf dem Gelände der staatlichen "Armawir Industrie- und Baufachschule", auf dem am 4. März 25 eine "Ruhmesallee" eingeweiht wurde.

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