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Abenteuer Großstadt: Das Warten auf den Paketboten und die dicken Frauen zu Köln

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21 Jahre 7 Monate her #13703 von OskarMaria2
Ich gebe zu "“ manchmal nerve ich meine Umgebung doch beachtlich. Immer wieder überkommt mich das Bedürfnis nach Musik, nach selbst interpretierter Musik. Dann krame ich meine olle Gitarre hervor und quäle etwas deren Saiten. Was in meinen Ohren wohl erklingt, halten meine Mitbewohner für reines Geplärre und für eine große Stümperei. Es hat halt nicht jeder denselben Geschmack. Doch in letzter Zeit sind meine Solokonzerte spärlicher geworden. Denn die Kids hatten das Instrument ein paar Mal reichlich robust behandelt, es war hin und wieder mit Schmackes umgefallen und hatte so etwas Lack und auch einen Stimmknopf verloren. Und das Stimmen der Saiten mit einer Zange macht nicht wirklich Spass.

OskarMaria "“ Du brauchst eine neue Gitarre, meinte meine Gattin, die mich mal wieder beim Kramen nach einem Werkzeug zum Stimmen erwischte. Von Freunden war uns ein gut erhaltenes Instrument preisgünstig angeboten worden, das aus einer fränkischen Meisterwerkstatt stammte. Erkundungen nach dem Gitarrenbauer, der das Instrument Ende der sechziger Jahre gefertigt hatte, waren rundweg positiv. Durch dessen Enkel, der noch immer sauteure Gitarren in Handarbeit herstellt, bekamen wir die genauen Daten und wurden deshalb auch schnell über den Verkaufspreis handelseinig.

Das Instrument sollte mir mit der Post zugestellt werden. Es kam und kam nicht. Überhaupt "“ der Paketdienst war seit langer Zeit nicht mehr gesehen worden. Auch die Nachbarn warteten auf Päckchen und nichts passierte. Nachfragen bei der Post-Hotline brachten natürlich kein Ergebnis. So hatten wir schließlich die Verkäufer im Verdacht "“ vielleicht war denen inzwischen der Verkaufspreis zu niedrig und sie wollten das Instrument nicht mehr herausrücken.

Abhilfe nahte von eBay. Dort entdeckten wir zwischen den Auktionen eine weitere Gitarre jenes Instrumentenbauers. Nach Angaben der Verkäufer war es ein Sammlerstück, das ungespielt dreißig Jahre in einer Präsentationsvitrine gestanden hatte. Auf den Fotos machte es einen guten Eindruck. Das Glück war uns hold und wir konnten das Instrument zu einem angemessen Preis ersteigern. Doch wieder hat uns die Gitarre auf dem Postweg nicht erreicht.

Rückfragen bei dem Verkäufer blieben unbeantwortet, so forschten wir etwas hinter ihm her. Heraus kam ein ziemlich beachtliches Bieterkartell bei eBay. Einige Kölner Hausfrauen hatten sich wohl zusammengetan und gegenseitig die Gebote bei ihren Auktionen in die Höhe getrieben. Da bleibt es nicht aus, dass man auch mal auf einem Produkt sitzen bleibt, indem der Scheinbieter die Ware ersteigert. Und dabei hat das Kartell auch den entscheidenden Fehler gemacht: Man hat sich gegenseitig positive Bewertungen geschrieben und darüber war der Betrug nachzuvollziehen. Verbunden mit einer kleinen Nachforschung im Netz ergab sich ein lustiges Bild. Ein paar Hausfrauen aus Kölner Vororten gehören zum Kartell. Alle haben Kinder, jede Menge Haustiere und ein massives Gewichtsproblem. Über Kleinanzeigen im Netz haben sie Gleichgesinnte gesucht, um bei gemeinsamen Kindernachmittagen auch eine besondere Diät auszuprobieren. Und die ist bei über 120 Kilo auch dringend nötig.

Die erste Gitarre ist inzwischen aufgetaucht. Sie wurde nach vierzehn Tagen mit dem Vermerk "Empfänger nicht zu ermitteln" wieder dem Absender zurückgeschickt. "Unsere Zusteller sind alle im Urlaub oder Krank", meinte man in der zuständigen Postfiliale lapidar. "Die Aushilfsfahrer hatten wohl keine Zeit oder Lust, auch Ihr Wohnviertel anzufahren. Aber nächste Woche sind wir wieder komplett!" Wie tröstlich für jemand, der offensichtlich am Ende der Welt wohnt.
Lediglich eine Gitarre wollten wir kaufen. Dafür ist die Liste unserer Feinde und Freizeitbeschäftigungen wieder deutlich länger geworden:

1.) Eine Beschwerde bei der Bundespost über den Zustelldienst einreichen;
2.) Eine Beschwerde bei der Bundespost über die Servicehotline einreichen, die nicht tätig geworden ist;
3.) Eine Beschwerde bei eBay über das Kartell der dicken Frauen zu Köln einreichen;
4.) Den Verbleib der Gitarre aus Köln ermitteln;
5.) Die dicke Frau aus Köln etwas kitzeln, um einen Teil oder die gesamte Auktionssumme zurückzuerhalten;
6.) Die doppelt aufgelaufenen Versandkosten zur Rückerstattung einreichen.

Zum Klimpern auf meiner alten Gitarre bleibt vorerst keine Zeit.

OM

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