31.08.2024 -- 68.100 // Zuwachs zum 31.07.24: 4.246
Russlands Präsident schickt die Jugend seines Landes in einen verbrecherischen Krieg. Wie viele russische Soldaten inzwischen in der Ukraine ihr Leben gelassen haben, können wir nicht komplett aufklären. Wir sammeln hier seit Beginn des Krieges im Februar 2022 die Todesmeldungen aus den Medien der Regionen und sozialen Netzwerken Russlands und verschaffen so zumindest einen ungefähren Überblick.
Im ersten Kriegsjahr haben wir noch die Meldungen im übersetzten Originaltext veröffentlicht, auf Grund der schieren Menge der Kriegstoten musten wir später zur Tabellenform übergehen, jetzt führen wir nur noch reduzierte Listen. Eine Liste der Regionen und den dazu veröffentlichten Tabellen, finden Sie hier.
Alle 14 Tage veröffentlichen wir eine Zusammenfassung unserer Datenbank - die Liste mit allen Auswertungen finden Sie hier - Aktuell 31.07.2024 | Karte der Regionen Russlands | Föderationssubjekte
Nekropolis von Dargaws in Nordossetien -- Urheber: CC BY-SA 4.0 --
Nordossetien-Alanien liegt im Nordkaukasus und hat etwa 700 Tausend Einwohner. Es ist die Region mit der höchsten Industrialisierung im Nordkaukasus und eine Republik innerhalb der Russischen Föderation.
"Die Einstellungen hier in Ossetien zu dem, was in der Ukraine passiert, sind unterschiedlich. Die einen unterstützen den Krieg, die anderen nicht. Die, die ihn unterstützen sind mehr, auf jeden Fall sind sie sichtbarer," schrieb ein Autor aus Nordossetien in der TAZ. Er schreibt auch über den Antikriegsprotest einer 20-jährigen jungen Frau, über den wir hier berichteten. Zusätzlich haben wir in dieser Rubrik noch die Kriegstoten aus Südossetien aufgenommen. Die von Russland annektierte Provinz hat gerade mal 50.000 Einwohner.
Nord- und Südossetien: Teil I bis 201 -- Teil II bis 300 -- Teil III bis 500 -- Teil IV ab 501
Weiterlesen: Ossetien - die, die den Krieg unterstützen sind mehr - Teil IV
Orenburg Panorama -- Urheber: CC0 - - Lizenz:
Orenburg - der Name klingt deutsch, aber sonst hat die Oblast und die Stadt Orenburg nichts mit deutscher Kultur zu tun. Die Region liegt im Süden Russlands mit einer langen Grenze zu Kasachstan. Die Fläche der Oblast entspricht etwa Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zusammen. Wie viele andere Grenzregionen Russlands verzeichnet auch Orenburg einen hohen Blutzoll im Krieg gegen die Ukraine.
Oblast Orenburg: Teil I bis 99 -- Teil II bis 200 -- Teil III bis 300 -- Teil IV bis 500 -- Teil V bis 700 -- Teil VI bis 1.000 -- Teil VII ab 1001
Weiterlesen: Jugend aus Orenburg - getäuscht, belogen und geopfert - Teil VII
Irkutsk -- Urheber: CC BY-SA 4.0 --
Irkutsk liegt am Abfluss des Baikalsees im südlichen Sibirien und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Oblast. Die Universitätsstadt hat knapp 600 Tausend, die gesamte Oblast etwa 2,5 Millionen Einwohner. Die Region ist ein wirtschaftliches Zentrum in Sibirien mit Schwerindustrie, Flugzeugbau ( Ilyuschin, MiG, Suchoi, Tupolew, Yak) und Aluminiumproduktion.
Die Distanz zwischen Irkutsk und Kiew beträgt etwa 5.000 km (Fahrstrecke ca 6.000 km).
Irkutsk: Teil I bis 100 -- Teil II bis 200 -- Teil III bis 300 -- Teil IV bis 500 -- Teil V bis 700 -- Teil VI bis 1.000 -- Teil VII ab 1001
Weiterlesen: Irkutsk - Sterben in einem 5000 km entfernten Krieg - Teil VII
Kaspisches Meer bei Derbent/Dagestan -- Urheber: CC BY-SA 4.0 //
Dagestan galt lange als eine der unruhigsten Republiken des Kaukasus. Islamisten stellten die von Russland diktierte Ordnung in Frage. So haben die bewaffneten Konflikte im Kaukasus seit 2014 knapp 150 Sicherheitskräften das Leben gekostet. Das ist jetzt vorbei - vom Beginn Russlands Krieg gegen die Ukraine an sind die ethnisch/religiösen Konflikte kein Thema mehr. Gestorben wird jetzt in der Ukraine und davon reichlich. Führend im Kaukasus ist Dagestan.
Dagestan: Teil I bis Position 101, Teil II bis 199, Teil III bis 400 -- Teil IV bis 500 -- Teil V bis 700 -- Teil VI bis 1.000 -- Teil VII ab 1001
Weiterlesen: Dagestan - Aufgabe erfüllt bis zum Tod -- Teil VII
Das Dorf Korsakowka befindet sich im fernen Osten Russlands ganz im Süden der Region Primorje. Die Grenze zu China ist nicht weit entfernt und zur russischen Großstadt Ussurijsk sind es etwa 25 km. Im Jahr 2021 zählte das Dorf 1.300 Einwohner - leicht fallende Tendenz. Und so geografisch fern das Dorf vom Kriegsgeschehen in der Ukraine auch sein mag, der Krieg ist auch in diesem Dorf angekommen.
Ende April gedachten die Schule und einige Dorfbewohner der sechs gefallenen Soldaten aus ihrem Flecken mit einer Schweigeminute. Die Veranstaltung kam nicht aus der Mitte der Dorfgemeinschaft, sondern wurde von oben staatlich orchestriert.
Janrakynnot -- Foto: NinaMalich -- Lizenz CC BY-SA 4.0
Janrakynnot ist ein kleines Dorf im Bezirk Prowidenski im Autonomen Kreis Tschukotka. Im gesamten Bezirk leben 3.700 Menschen, im Dorf Janrakynnot lebten 2015 noch 314 Personen. Die Siedlung wurde auf einem festen Felsen erbaut inmitten sumpfiger Tundra. Man blickt vom Dorf aus auf die Beringsee. Aus diesem Dorf kommt ein weiterer Tschuktsche, der im Krieg für die russische Welt getötet wurde.
Andrej Aschkamakin geboren am 24.April 1996 meldete sich im Dezember an die Front. Am 27. April kam die Nachricht von seinem Tod:
Weiterlesen: Der nächste Tschuktsche starb für die russische Welt
Es gibt nur wenige Orte auf der Erde, die so abgelegen sind wie der Ort Nutepelmen. Er liegt an der nordöstlichen Küste der Tschuktschen-Halbinsel zur Tschuktschensee. In der Sommerhälfte kann man das Dorf mit einem Schiff oder Hubschrauber von Wankarem aus erreichen. Im Winter gibt es eine fast 200 km lange Eispiste bis zur nächsten Straße. Aber wir haben das alles schon hier geschrieben.
Das Dorf hatte im Jahr 2021 noch 133 Bewohner. Kürzlich ist ein junger Sanitäter aus dem Dorf im Krieg gegen die Ukraine getötet worden - Roman Rachthyn, geboren am 12.01.1987. Aktuell wird der nächste Gefallene aus dem Ort gemeldet - Waleri Sleptsow - geboren am 9. August 1985.
All diese jungen Tschuktschen im besten Alter sind in einem Land aufgewachsen, das reich an Bodenschätzen ist. Die Menschen dort haben wenig von diesem Reichtum, der landet in den Zentren Russlands. Und so sterben auch diese Menschen nur für die russische Welt. Genau das sagt auch der Nachruf auf den jungen Mann:
Kannibale Dmitri Malyschew (links) und Zerstückler Alexander Maslennikow (rechts)
Der Kannibale Dimitry Malyschew war vor zehn Jahren zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden, der Mörder zweier Frauen Alexander Maslennikow musste seit 2017 insgesamt 23 Jahre absitzen. Beide trafen im Oktober 2023 zusammen, als sie sich einem Sturm-V Kommando anschlossen. In einem Interview mit einem Internetmedium aus Wolgograd sagte Malyschew:
"Alexander und ich saßen zusammen und unterzeichneten im Oktober 2023 gemeinsam einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium. Wir dienen in Sturm V. Ich kannte Leute, die nur zum Tapetenwechsel aus der Kolonie hierherkamen. Sie verschwinden normalerweise schnell. Aber ich verstand, warum ich ging und wohin ich ging. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihrer kleinen Tochter in der Grundschule gesagt würde, wie man ein Kondom richtig anzieht? Oder werden Männer die Straße entlanggehen und sich gegenseitig küssen? Ist das für Sie normal? Für mich ist das nicht normal."
Also wird es Zeit, uns den Lebensweg dieser beiden Gesellen etwas genauer anzuschauen:
Weiterlesen: Wenn ein Kannibale und ein Frauenschlächter im Krieg zusammentreffen
Der Mann auf dem Foto heißt Maxim Sergejewitsch Kutsar und kam aus einem Dorf in der sibirischen Region Omsk. Er saß im Gefängnis und wurde dort von der Gruppe Wagner rekrutiert. Am 7. Mai 2023 ist er gefallen. Aber diese Informationen sind schon lange Routine, die eigentliche Geschichte begann 11,5 Jahre zuvor.
Maxim war im August 2012 zur Geburtstagsfeier der Mutter seiner Freundin eingeladen. Dort trank er reichlich über den Durst und begann zu randalieren. Der Hausbesitzer verweigerte dem damals 20-jährigen jungen Mann weiteren Alkohol. Irgendwann schlief auch der Hausbesitzer ein und Maxim nahm Rache. Mit einem Messer und einem Schraubenzieher stach er auf den Kopf und Hals des Mannes ein. Der Mann war sofort tot.
Das Foto zeigt russische Soldaten einer Kampftruppe. Veröffentlicht hat es die Frau des getöteten Soldaten Michael Schwarz aus Pskow. Es ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Soldaten aller Altersstufen und Ethnien, wahrscheinlich auch ausländische Söldner. Diese Sturmtruppen haben die höchsten Verluste zu verzeichnen.
Die Stadt Dschankoj liegt im Norden der Halbinsel Krim in der Nähe des Nord-Krim Kanals. Knapp 40.000 Menschen leben in der Stadt - Tendenz abnehmend. Da die politische Situation für die Bewohner der Krim völlig offen ist, bleibt die Region bei Russland oder gelingt es der Ukraine sie zurück zu holen, setzen die aktuellen Machthaber auch auf die Indoktrination der Kinder und Jugendlichen für Russland. Dazu ein Beispiel aus Dschankoj.
Im fernen Osten"Russlands, ganz im Süden der Region Chabarowsk, liegt der Bezirk Vjasemski. Dort leben etwa 20.000 Menschen - fallende Tendenz. Verwaltungszentrum ist die gleichnamige Stadt Vjasemski mit aktuell knapp 13.000 Einwohnern. Der Leiter des Bezirks Alexander Usenko stellt in seinem Telegramkanal eine Veranstaltung der dortigen Kadettenschule N2 vor, bei der der Sohn eines getöteten Soldaten dessen Mut-Orden überreicht bekam.
Die russische Militärpolizei sucht in den besetzten Gebieten der Ukraine nach desertierten Söldnern aus Nepal. Uns liegen sieben solcher Steckbriefe vor, mit denen nach den verschwundenen Nepalesen gesucht wird. Nach einem Bericht des ukrainischen Geheimdienstes soll es sich um deutlich mehr Söldner handeln - der Geheimdienst spricht von Massenflucht.
Derzeit sind nach Angaben eines nepalesischen Internetmediums (Stand 12.02.24, deutsche Übersetzung pdf) etwa 16 getötete nepalesische Söldner der russischen Armee bekannt, 116 wurden verletzt, 272 gelten als vermisst (also getötet oder auf der Flucht) und vier wurden vom ukrainischen Militär gefangen genommen.
Alle Steckbriefe sind gleich aufgebaut, zur Veranschaulichung zeigen wir ein Exemplar mit der Google-Übersetzungsfunktion in deutscher Sprache (Tschetendra Khadka). Die Originale findet man am Ende des Beitrags.
Kalatsch ist ein Städtchen mit etwa 20.000 Einwohner in der Region Woronesch. Die dritte und siebte Klasse einer dortigen Hauptschule hielt Mitte April am Kriegerdenkmal der Stadt eine Kundgebung zum Gedenken an den Schulabsolventen Roman Belolipetsky ab, der im Krieg gegen die Ukraine getötet wurde.
Die Leiterin des Schulmuseums, Frau Kadatskaja, erklärte den Kindern und Jugendlichen den Sinn der Veranstaltung:
Starokangyschewo ist ein kleiner Flecken in Baschkortostan mit gerade mal 125 Einwohnern - alles ethnische Baschkiren. Das Dorf hat schon bessere Zeiten gesehen, im Jahr 2002 zählte man noch knapp 400 Bewohner. Die Stadt Djurtjuli ist 14 km entfernt, in der Stadt leben über 30.000 Menschen. Und der nächste Bahnhof ist 122 km weit weg. Am 24. April wurde im Dorf Starokangyschewo ein getöteter Soldat im Krieg gegen die Ukraine begraben.
Da Baschkortostan im Moment die höchste Zahl an Kriegstoten zu verzeichnen hat, dokumentieren wir, wie die Verwaltungen der Bezirke diese Verluste der Bevölkerung vermittelt. Lassen wir Rip Jusupow, Leiter des Bezirks Djurtjulinsky zu Wort kommen:
An einem bewölkten Tag kommen Tränen ...
Auf Grund der Menge der gefallenen russischen Soldaten im Krieg gegen die Ukraine, müssen wir den Informationsgehalt unserer Tabellen immer weiter zurückschrauben. Und es sieht so aus, dass die Opfer des Krieges weiter steigen werden. Im Moment ist die Region Baschkortostan (Baschkirien) davon am meisten betroffen.
Einen guten Überblick über die Situation in Baschkirien bietet auch die Webseite "Fremder Krieg". Insgesamt über 1.600 getötete Soldaten aus der Region sind dort sehr detailliert in russischer Sprache zusammen getragen worden.
Wir haben in unseren Listen bereits über 1.800 Kriegstote aus der Region Baschkortostan recherchiert. Das mag daran liegen, dass wir von Beginn des Krieges an diese Region im Blick hatten. Wann "Fremder Krieg" an die Öffentlichkeit ging, wissen wir nicht - aber sicher erst in jüngster Zeit.
Das Dorf Lobaski liegt im Bezirk Atjaschewski in der russischen Teilrepublik Mordwinien. Weniger als 600 Menschen leben im Dorf und auch der Bezirk hat nur knapp 18.000 Einwohner. Früher waren es mehr - 1970 lebten im Bezirk doppelt so viele Menschen.
Galitsch ist eine Kleinstadt in der russischen Region Kostroma mit kanpp 13.000 Einwohnern - fallenden Tendenz. Die Maxim Gorki Bibliothek der Stadt hielt eine Gedenkstunde für Kinder ab, Thema Helden der Region Galitsch.
Hören wir zu, was Frau Bibliothekarin den Kindern zu erzählen hat:
Heute haben sich die Wolken des Bösen, des Hasses und der Heimtücke der Feinde wieder einmal über unserem Vaterland verdichtet. Die junge Generation unserer Landsleute verteidigt, wie in alten Zeiten, würdig die Grenzen des Landes.
Ganz tot scheint die Gruppe Wagner nicht zu sein. Aktuell werden Söldner für einen Einsatz in Afrika angeworben. Am 24. April flatterte folgender Telegram-Beitrag zu uns ins Haus:
PMC „Wagner“ rekrutiert Freiwillige für Fernziele!
Ein Job für echte Männer, die keine Angst vor Schwierigkeiten haben und gewinnen wollen!
Auch weiterhin hat die Republik Baschkortostan die meisten gefallenen Soldaten der Regionen in unserer Statistik zu verzeichnen. Knapp 500 Kriegstote sind zwischen dem 01.01.24 und dem 15.04.24 dazu gekommen.
Wir dokumentieren deshalb eine weitere eine Meldung des baschkirischen Telegram-Kanals Aspekte:
Während der SVO wurden 10 weitere Soldaten aus Baschkortostan getötet. Sie haben sich dieser Tage von ihnen verabschiedet.
Falls nichts dazwischen kommt, können wir die Zusammenfassung des Monats August am späten Abend des kommenden Mittwochs Donnerstags (12.09.24) vorlegen.
Es ist ein ständiges Rennen gegen die Zeit - wenn wir uns eine Wochenendpause gönnen, dann ist es auf Grund der vielen Kriegsopfer nur schwer möglich, wieder aktuell zu werden.
09.09.24 -- OM
Im Zeitraum ab dem 15. August sind die Berichte über getötete russische Soldaten zurückgegangen. Die Anzahl der gefallenen Soldaten, die wir bearbeiten, ist aber gleichbleibend sehr hoch. Das erklärt sich daraus, dass immer mehr Altfälle öffentlich werden.
Es gibt Verzeichnisse von Friedhöfen, bei denen die Toten aus dem Krieg gegen die Ukraine ausgewiesen werden, es gibt Filme, die die Kriegsgräber auf den Friedhöfen dokumentieren und es gibt Initiativen, die in den Regionen systematisch die Friedhöfe und Medien nach gefallenen Soldaten durchsuchen. So kommen eine Menge Altfälle auf unseren Tisch.
Soweit möglich, werden wir in unserem Abschluss des Monats August versuchen, die Anzahl zu quantifizieren.
Wir meinen, jene russische Sperrverfügung zielt genau in die richtige Richtung. Wir versuchen immer wieder, nicht nur schnöde Zahlen zu liefern, sondern den vielen russischen Opfern dieses Krieges ein Gesicht zu geben. Noch immer ist für uns aktuell, was wir mit einem Tucholsky-Zitat am 11. Januar 23 beschrieben haben:
Es wird von den Schrecknissen des Krieges gesprochen. Darauf sagt ein Diplomat vom Quai d’Orsay: „Der Krieg? Ich kann das nicht so schrecklich finden! Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik!“
Die Rückbesinnung auf das Leid der einzelnen Menschen kann man natürlich in russischem Juristensprech als "als Verstoß gegen die Rechte der Bürger auf Privatsphäre, Persönlichkeits- und Familiengeheimnis" bezeichnen. Abgesehen davon, dass wir nur das publizieren, was bereits öffentlich gemacht wurde, zeigt jene Reaktion aus Russland, dass wir mit unseren Veröffentlichungen nicht ganz falsch liegen.
Unser Bericht über die beiden Kriegsdienstverweigerer aus Kemerowo, Gennadi und Semjon Kiskorow, stützt sich auf Informationen der russischen Agentur Astra. Die russisch sprachige Webseite von "Radio Free Europe" hat am 20.08.24 einen aktuelleren Beitrag veröffentlicht, der auch eigene Recherchen enthält. Das Thema wird mit mehr Details behandelt, die Autoren vermuten, dass auch der zweite Bruder nicht mehr lebt.
Am 13. Juni 24 veröffentlichte das US-amerikanische Verteidigungsministerium Zahlen zu den russischen Kriegsopfern. Verteidigungsminister Austin sagte dazu bei einem Nato-Treffen, dass seit Beginn des Krieges mindestens 350.000 russische Soldaten getötet oder verwundet wurden.
Den Bericht haben wir erst jetzt zur Kenntnis genommen.
Immer wieder von Neuem schockiert uns die Menschenverachtung und Brutalität des russischen Militärs. Und nein - wir meinen damit nicht, was dieses Militär ihrem Gegner den Ukrainern antut - das tut es sowieso in diesem Krieg, sondern wir meinen den Umgang mit den eigenen Soldaten. Ohne Ausbildung werden sie schlecht bewaffnet an die Front geworfen, heute angekommen, morgen tot und niemand scheint sich dafür zu interessieren.
In einem Beitrag der Exilpublikation Meduza wird über ein besonders grausames Regiment berichtet, das früher eine Einheit der "Donezker Volksrepublik" war. Dort würden die Soldaten als "Fleisch" begriffen, das man für den Erfolg der Schlacht opfern würde. Schuld wären die Kommandeure der ehemaligen Volksrepublik, die 2014 im Donbass die Macht übernahmen und eigentlich ukrainischer Herkunft wären.
Bei solcher Darstellung sind wir nur entsetzt. Abgesehen davon, dass alle Einheiten inzwischen der russischen Militärführung unterstellt sind, bestand die sogenannte Volksmiliz der "Donezker Volksrepublik" zum großen Teil auch aus Russen. Die Führung wurden teilweise vom russischen Geheimdienst dort hin abgestellt. Und wer von den Kommandeuren nicht nach der russischen Pfeife tanzen wollte, wurde schnell liquidiert.
Es gibt einen neueren Beitrag der BBC zu unserem Thema (Bericht vom 04.08.24), den russischen Verlusten im Krieg gegen die Ukraine. Darin wird von der bisherigen Abschätzung der tatsächlichen Kriegstoten abgewichen. Bisher hat die BBC angenommen, dass aus offenen Quellen nur die Hälfte der Kriegstoten ermittelt würden. In deren Statistik wurde folglich von einer doppelten Anzahl an russischen Kriegstoten ausgegangen. Im neuen Beitrag schreibt die Autorin: "Militärexperten meinen, unsere Analyse russischer Friedhöfe, Kriegsdenkmäler und Todesanzeigen erfasse 55-70% der wahren Todeszahlen..."
Das enspricht in etwa der Linie, die wir seit unserer ersten Abschätzung vertreten haben - nämlich dass wir nur etwa 60% aller Kriegsopfer erfassen. Ansonsten berichtet die BBC wieder von jenen 20.000 - 25.000 Kriegstoten der Donbassmilizen, die man noch addieren müsse. Vielleicht - vielleicht auch nicht, meinen wir. Denn jene Milizen sind zum großen Teil mit russischen Staatsbürgern aus ganz Russland bestückt, die dann auch in den regionalen Todesmeldungen in Russland wieder auftauchen. Ukrainische Bürger, die auf der Seite Russlands kämpfen, erfassen wir auch und benennen sie regelmäßig bei den Auswertungen.
Da wir ständig die russische Presse durchsuchen, ein paar Worte zum Thema Kursk. Für uns völlig überraschend ist, dass selbst relativ "liberale" Medien wie z.B. Fontanka aus St. Petersburg kaum darüber berichten. Wenn man einen Artikel findet, dann basiert der auf den offiziellen Verlaubarungen zu diesem Thema. Ansonsten in welche Region man auch schaut, keine Berichte sind auf den Titelseiten zu finden.
Wir sitzen gerade an der Auswertung des Monats Juli 24 und sind guter Hoffnung, alles bis morgen abschließen zu können. Mit aktuellen Nachrichten geht es auch ab Donnerstag weiter.
Wir haben heute den 23. Juli abgearbeitet, sind also eine Woche im Rückstand. Die Todeszahlen bleiben hoch. Der Monatsabschluss des Juli wird sich um etwa 10 Tage verzögern. Deshalb ein paar Trands im Voraus:
Nachdem die Aufmerksamkeit zu unseren Veröffentlichungen wächst, eine kurze Information zu OskarMaria.
Unter diesem Pseudonym war der Initiator im Internet seit über 25 Jahren recht unregelmäßig präsent. Ab dem Jahr 2014 hat er hier über die Situation in den von Russland besetzten Gebieten des Donbass geschrieben. Als einer der ersten Journalisten überhaupt inormierte er über die damals neu gegründete Gruppe Wagner.
Beruflich war er seit den 80-iger Jahren Geschäftsführer von diversen Medienunternehmen im Printbereich. Jetzt im Ruhestand, Kinder erwachsen, bleibt etwas mehr Zeit, die gesammelten Erfahrungen zusammen mit wenigen Mitstreitern für dieses Projekt zu nutzen.
Nachtrag: OskarMaria– das ist eine kleine Verbeugung vor dem beinahe vergessenen Schriftsteller Oskar Maria Graf. In Zeiten der Bücherverbrennungen wurden seine Werke von den Nazis verschont, ja sogar teilweise empfohlen. „Verbrennt mich!“ schrieb er 1933 in der Wiener Arbeiterzeitung, „nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen!“ Schließlich floh er in die USA – dort lebte er in bescheidenen Verhältnissen. Deutschland wollte den unbequemen Mann nach dem Krieg nicht wieder haben. Er starb 1967 in New York.
Literaturempfehlung: Wir sind Gefangene - Autobiograhie 1927.
Doppelt
Wladimir: 25. Artem Kozhenkov // Nischni Nowgorod: 35 Artem Kozhenkov
Wolgograd: 01 Juri Agarkov // Pskow: 41 Juri Agarkow
Kutelev Stanislav, dreifach, Kostroma, Rjasan und Orenburg. Nur Orenburg
Nikolai Symov, Rjasan & Tschuwaschien - nur Tschuwaschien
Mamontov Mikhail - Krasnodar Teil 1 & Teil 2
Ivan Alekseevich Chulkov, Kostroma, Pos. 51/56
Elimov Alexey Michailowitsch , Kostroma & Tschuwaschien
Falsch einsortiert
Ruslan Khamitov, Tscheljabinsk, kein Söldner der Gruppe Wagner
Jewgeni Wiktorowitsch, 20 Jahre
Mit breitem Lächeln posiert Jewgeni Wiktorowitsch Tokarew für die Kamera. Jewgeni, geboren am 2. April 2004, kam aus der städtischen Siedlung Tugylm im Osten der Oblast Swerdlowsk. Die Menschen aus dem Dorf arbeiten zumeist in Tjumen, da Tjumen nur 50 km entfernt ist. Ob er als Freiwilliger, Vertragssoldat oder als Wehrpflichtiger im Einsatz war, wird nirgends angegeben. Jewgeni wurde in der russischen Region Kursk am 10. August 24 getötet.
Ein Mann mit einem schwierigen Schicksal bedeutet nach unserer Erfahrung nichts Gutes. Meist benutzen die russischen Autoren dieses Begrifflichkeit, wenn ein Mann sich wegen einer Strafermittlung oder Verurteilung bei der Armee verdingt hatte und im Krieg getötet wurde. Vielleicht trifft das auch auf Danila Sergejewitsch Owsjannikow, dem sehr jungen Mann mit schwierigem Schicksal.
Danila, geboren am 4. November 2005, kam aus der russischen Stadt Kostroma, die etwa 300 km nordöstlich von Moskau liegt. Seine Ausbildung an der Berufsschule hat er abgebrochen und sich freiwillig (?) zum Kriegsdienst gemeldet - Rufzeichen Boxer.
"Er wollte immer zeigen, dass er im Leben viel erreichen würde. Er hatte vielleicht nicht immer Erfolg, wie viele Jungen, aber er versuchte es", heißt es in seinem Nachruf. Viel ist es nicht geworden, Danila wurde in der Nacht vom 8. auf 9. August getötet, als seine Kolonne in der Region Kursk durch ukrainische Raketen komplett zerstört wurde. Siehe unseren Bericht.
Kargopol ist eine der ältesten Stadte in der Region Archangelsk mit weniger als 9.000 Einwohnern. Ein Soldat aus der Stadt wurde bei jenem HIMARS-Angiff in der Nacht vom 8. auf 9. August getötet. Die Verwaltung der Stadt schrieb darauf folgenden Nachruf:
Michail Anatoljewitsch Sofronow starb bei der Erfüllung von Aufgaben während einer speziellen Militäroperation auf dem Gebiet der Region Kursk am 9. August 2024.
Michail Anatoljewitsch, geboren am 2. Oktober 1974, ist Absolvent der Uchotskaja-Sekundarschule, er war ein fröhlicher, freundlicher, sympathischer Mensch, immer bereit zu helfen.
Während seines Dienstes blieb M.A. Sofronov dem Militäreid treu, hielt sich heilig an die Verfassung der Russischen Föderation, hielt sich strikt an die Anforderungen der Militärvorschriften und Befehle der Kommandeure, erfüllte seine Pflicht mit Würde, war mutig und entschlossen, ein wahrer Patriot sein Land.
Pawel Alexandrowitsch Tscheremisin aus der russischen Region Karelien ist am 6. Juni 2024 im Krieg gegen die Ukraine getötet worde. Zu seinem Tod finden sich einige Einträge bei VKontakte, nur nennt niemand sein Alter oder Geburtsdatum. Auf Grund seines jugendlichen Aussehens haben wir versucht etwas mehr über Pawel zu erfahren und sind fündig geworden. Aber gleich vorneweg - sein Alter konnten wir nicht recherchieren.
Dafür fanden wir ein Urteil des Stadtgerichts Segescha vom 29. März 2023. Darin wird Pawel so charkterisiert: Er hat eine Meldepflicht und einen ständigen Wohnsitz, wird vom örtlichen Polizeikommissar zufriedenstellend beschrieben, es liegen keine Beschwerden über das Verhalten zu Hause vor, ist ledig, hat ein unterhaltsberechtigtes kleines Kind und ist nicht erwerbstätig, nicht bei der Agentur für Arbeit gemeldet; keine Vorstrafen. Am Ende des Urteils wird Pawel zu einer fünfjährigen Strafe wegen des versuchten Handels mit Drogen verurteilt.
Den Rest der Geschichte kann man sich getrost zusammenreimen. Pawel wurde vor oder während der Haft zu einem Sturm-V Kommando rekrutiert. So kam er frei, musste aber bei Angriffen ganz vorne dabei sein.
„Wir wollen es nicht glauben, es scheint, als würde es an der Tür klingeln, wir werden uns umarmen und weinen, dass das nicht so ist ... Unsere kleine, warme Sonne ...“, schrieb seine Mutter.
Manchmal stolpert man über alte Fälle. Jedes Jahr zum Geburtstag von Wladimir Igorewitsch Nozdrin veröffentlichen Freunde auf VKontakte eine Todesanzeige. Geht man der Sache nach, dann findet man einen Donbass-Separatisten der ersten Stunde. Dumm nur, dass auch dieser "Separatist" gar nicht aus dem Donbass stammte, sondern aus der russischen Stadt Rostow am Don.
Wladimir wurde am 22.04.1984 dort geboren und bei einer der vielen Kampfhandlungen an der Demarkationslinie am 12.06.2017 getötet.
Ab 1. August 2014 kämpfte er in der LPR (ab 24. September - CheGuevara Brigade), dann ab 11. Mai 2015 in der DPR (GRU-Spezialeinheiten).
Artem Jurjewitsch Turowtsew kam aus dem Dorf Krasnoswobodnoje in der Region Tambow. Das ist beinahe alles, was wir über den russischen Soldaten wissen.
Aber auch Artem befand sich in jener Kolonne, die in der Nacht vom 8. und 9. August in der Region Kursk durch einen HIMARS-Raketenangriff der ukrainischen Armee komplett zerstört wurde.
Im Nachruf schreibt die Dorfgemeinde: "Für seine Landsleute und Einwohner Russlands wird Artjom Jurjewitsch für immer ein Beispiel der Loyalität gegenüber dem Vaterland bleiben. Wir werden sein Andenken für immer in unseren Herzen behalten...
P. S. KRIEG WIRD NUR VON DENEN GELIEBT, DIE DURCH IHN BEREICHERT WERDEN. WIR ALLE WOLLEN DEN FRIEDEN, ABER WIR KÖNNEN IHN NOCH NICHT ERREICHEN...."
Telegram - 17.08.2024 - Antikriegsprojekt der Region Stawropol:
Ein Soldat aus Mineralnyje Wody starb in der Nähe von Kursk.
Der Name des Verstorbenen war Viktor Okunew. Er war 43 Jahre alt. Den Fotos zufolge war der Mann ein Vertragssoldat.
Ich werde nicht müde, zu wiederholen, dass der Krieg gegen die Ukraine beendet werden muss. Er wird die Toten nicht zurückbringen, aber er wird das endlose Fließband des Todes zugunsten eines verrückten alten Tschekisten stoppen, der am Ende seines Lebens steht. Männer haben im zivilen Leben etwas zu tun!
Nein zum Krieg!
Namensliste der verstorbenen Soldaten aus Mineralnyje Wody (70 Namen):
https://teletype.in/@otkrovenya_minvod/spisok-pogibshih-minvody
Allgemeine Liste der Opfer aus der gesamten Region Stawropol (1255 Namen):
https://teletype.in/@otkrovenya_minvod/spisok-pogibshih-stavropolye
Warum findet das russische Militär immer wieder neue Soldaten als Freiwillige, wenn doch klar ist, dass die Chance den Militärdienst gesund zu überleben recht klein ist? Natürlich spielen die hohen Zahlungen des Staats eine Rolle, dieses Risiko einzugehen. Manchmal findet man die Antwort auch in den Lebensläufen der Soldaten.
Juri Andrejewitsch Talbuninin, geboren am 11.11.1998, kam aus der großen Siedlung Mogoituy in Transbaikalien. Ende Juni 24 unterschrieb er einen Vertrag, am 1. August 24 starb er im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Er war sicher weniger als 14 Tage an der Front. Im Nachruf schreibt die Ortsverwaltung:
Bis zu seinem 16. Lebensjahr lebte er mit seinen Eltern im Dorf Nomokonowo. Dann zog er nach Mogoituy und lebte bei seinem Onkel. Absolvent von neun Klassen. Verheiratet. Arbeitete von 2018 bis 2020 als Hilfsarbeiter im Café Bagulnik. Er arbeitete auch als Metzger im Café ODON und bekam dann eine Anstellung im Straßendienst des Dorfes Zabaikalsk.
Im Februar 2024 bekam er eine Stelle als Lader-Spedition bei Partners Noyabrsk LLC (Novaya Chara, Udokan Copper). Er hat 2 Monate lang in einer Schicht gearbeitet.
Artem Dobrodumski war ein 22-jähriger Wehrpflichtiger, der bei der ukrainischen Offensive in der Region Kursk getötet wurde. Der junge Mann kam aus der Stadt Schachti in der Region Rostow am Don.
Sein Tod wurde durch den Karate-Klub bekannt gemacht, für den er wohl mehrfach erfolgreich antrat. Die Tatsache, dass Artem ein Wehrpflichtiger war, löschte der Karate-Club umgehend.